Thüringische Rechnerei

Die Landtagswahl in Thüringen hat eigentlich ein eindeutiges Wählervotum gebracht: Rotrotgrün ist abgewählt.

Hier noch mal das Ergebnis:

Stimmen in % Sitze
Gesamt 100,0 90
Linke 31,0 29
SPD 8,2 8
Grüne 5,2 5
Summe 44,4 42
AfD 23,4 22
CDU 21,8 21
FDP 5,0 5
Summe 50,2 48

Für die Ministerpräsidentenwahl im ersten und zweiten Wahlgang sind also 46 Stimmen erforderlich. Sollten sich Mike Mohring (CDU) oder Thomas Kemmerich (FDP) stellen hätten sie also durchaus eine Chance, wobei das Risiko in der völligen Zerstrittenheit der CDU-Fraktion liegt.

Im dritten Wahlgang würde eine Stimme mehr reichen, als Amtsinhaber Ramelow auf die Beine bringt. Im günstigsten Fall würden für einen Gegenkandidaten 43 Stimmen genügen. Es könnten sich also fünf Christdemokraten enthalten, ohne daß Ramelow gewinnt.

Ein Teil der CDU-Abgeordneten tendiert zu einer bürgerlichen Minderheitsregierung, der andere Teil hört auf die Anweisungen der Parteiführung aus Berlin und verfällt in Totenstarre. Ein Teil der CDU-Abgeordneten und vier FDP-Abgeordnete würden es auch schlucken, die Unterstützung der AfD bei einer Abstimmung über den MP zu erhalten.

Das Lavieren von CDU und FDP um die AfD herum treibt skurrile Blüten: Mohring und Kemmerich haben versucht SPD und Grüne aus der Linksfront rauszubrechen, haben dabei aber auf Granit gebissen. Der eigentliche Sinn dieser Übung erschließt sich denjenigen nicht, die die zweite Klasse im Rechnen geschafft haben: Die vier Kleinparteien CDU, SPD, Grüne und FDP haben zusammen nur 39 Stimmen im Landtag, sind von einer Mehrheit also meilenweit entfernt.

Heute wurde ruchbar, daß der Vorsitzende der thüringischen Werteunion, Christian Sitter, den Vorschlag unterbreitet hat Hans-Georg Maaßen bei der Wahl zum MP kandidieren zu lassen. Damit wurde der Kanzlerin der Fehdehandschuh hingeworfen. Und die Union wird vor die Wahl gestellt: Entweder die Gelegenheit zu ergreifen und zu regieren oder wie 1945 bis 1989 die führende Rolle der umbenannten SED anzuerkennen.

An der AfD wird es nicht liegen, wenn Maaßen nicht gewählt werden sollte. Auch von der FDP würden wohl mindestens vier Ja-Stimmen kommen. An der CDU könnte es scheitern. Der linke Flügel hat sich von Ulbrichts und Honeckers Nationaler Front noch nicht gelöst. Mir kam es 1990 schon recht seltsam vor, daß Leute, die im Frühjahr 89 noch bei der gefälschten Kommunalwahl für die CDU kandidierten und die Bürger zu „Mach-mit“-Initiativen aufriefen, plötzlich Anhänger von Helmut Kohl sein wollten. Ein sehr anschauliches Beispiel für diese Prinzipienlosigkeit war der Erfurter Bundestagabgeordnete Norbert Otto. Wenn einige Unionsfreunde nun zurück in die babylonische Gefangenschaft der Linkspartei wollen, wen wunderts?

Die Lieblingsdisziplin von Mike Mohring ist das Vermeiden von klarer Kante, das Durchschlängeln und Lavieren, das Aufgeben noch kürzlich vertretener Positionen ohne dadurch wirkliche Vorteile zu erlangen. Sitter und Maaßen fordern ihm nun eine Entscheidung ab. Top oder Flop. Am 22.10.2019 hatte Maaßen in Ebeleben geäußert: Er würde Mohring empfehlen, den Mut zu folgender Entscheidung zu haben: „Ich kandidiere für den Ministerpräsidenten, und dann sehen wir mal was passiert“.

Mohring wurde es von Dr. Merkel und AKK offensichtlich verboten zu kandidieren. Kemmerich hat vermutlich eine ähnliche Weisung von Christian Lindner erhalten. Wenn ein Dritter sich zur Verfügung srellen sollte muß sich die CDU bekennen. Es gibt nur Ja, Nein und Enthaltung. Im Boden versinken geht nicht. Sollte der CDU-Wähler merken, daß die CDU überhaupt nicht regieren will, daß es ihr schlicht nicht um die Erlangung der Macht geht, so ist es um die Landes-CDU geschehen, die sich noch vor einem Jahr vollmundig als „Thüringenpartei“ präsentiert hat. Ich hatte schon vor einem Jahr vorhergesagt, daß Merkel sie in den Boden stampfen wird.

Nun wird es wegen Mutlosigkeit des Spitzenkandidaten Mohring vielleicht Hans-Georg Maaßen, der wissen will wie es ausgeht. Einen besseren MP kann es nicht geben. Im Unterschied zu Mohring hat Maaßen schon mal was größeres – nämlich den Verfassungschutz – im Griff gehabt.