Merzens Halbwahrheiten in Apolda

Friedrich Merz ist zum Aschermittwoch ins politische Gleichschaltungszentrum Deutschlands nach Apolda gekommen, um die von seiner Parteifreundin Dr. Merkel zur Schnecke gemachten Christdemokraten wieder aufzurichten und für sich selbst zu werben. Zur Erinnerung: Merkel hatte ja durchgesetzt, daß die auch von der CDU unterstützte Ministerpräsidentenwahl des bürgerlichen Kandidaten Kemmerich „rückgängig“ gemacht wurde.

Merz versuchte sich erst mal durch diesen Scherbenhaufen argumetativ hindurchzuwursteln. Er gab dem eitlen Ramelow die Schuld am Desaster. Es sei nicht erforderlich gewesen diese MP-Wahl anzusetzen, er hätte mit seiner Minderheitsregierung geschäftsführend im Amt bleiben können. Allerdings stellt sich da die Frage: War diese Lösung dem Wähler von der CDU versprochen worden? Nein! Das Ziel war die Ablösung von Rot-rot-grün gewesen. Letztlich hatte die CDU – wie auch die FDP – exakt das geliefert, was sie den Wählern versprochen hatte. Die AfD übrigens auch. Was jetzt läuft ist brutaler Wahlbetrug.

Merz führte das Beispiel von Hannelore Kraft an, die Nordrhein-Westfalen zwei Jahre geschäftsführend regiert hatte. Allerdings verschwieg der Trickser den Apoldaern, daß ihr das nur mit parlamentarischer Hilfe der Linkspartei gelungen war. Wenn die Linke Hannelore Kraft unterstützen durfte, warum durfte die AfD nicht für Thomas Kemmerich stimmen? Gute Frage!

Da sind wir schon beim zweiten Schwerpunkt. Eine Schwäche ist das Verhältnis der West-CDU und auch von Merz zur Linken und zur AfD. Unsere Nachbarländer im Osten, die nacheinander sowohl von Deutschland, als auch von der Sowjetunion beherrscht wurden, haben eine klar stärkere Abneigung gegen Rußland, als gegen Deutschland. Das liegt einfach daran, daß man von der Sowjetunion noch persönlich betroffen war, die Leute, die von Deutschland kujiniert worden waren, sind ausgestorben. Den Tschechen und Slowaken ist ihr Anführer Dubcek in die Wüste geschickt worden, und sie wurden „normalisiert“ Die Polen erinnern sich lebhaft an das Kriegsrecht, die Ungarn an den Aufstand von 1956. Vom Baltikum will ich gar nicht erst anfangen. Diese Stimmung wabert auch über den neuen Ländern. Wer dagegen angeht, kämpft wie Don Quichote mit Windmühlenflügeln. Als Ritter von der traurigen Gestalt macht sich auch Friedrich Merz zu einem Teil der Berliner Belehrungs- und Bekehrungsindustrie, die die Realität des Stacheldrahts irgendwie mit ihrer eingebildeten Märchenwelt auf Kosten der Wahrheit kompatibel machen will.

Er erwähnte gewisse wirtschaftsfeindliche Programmpunkte der Linkspartei, die ihm nicht gefallen, aber kein Wort über Folter, Tötungen, Zwangsadoptionen und Einzelhaft unter schwierigen Bedingungen kam über seine Lippen. Kein Wort über 28 Jahre Leben hinter Stacheldraht, Trennung von Familien und krasses Wohnungselend. Das ist auch menschenverachtend. Solche empathielosen Leute wie Merz haben in Schwedt die Leute rumgescheucht, in Buchenwald an den Öfen gestanden und in Auschwitz die Gashähne bedient. Ist sicher ein bißchen kompromißlos formuliert, aber viele meiner Landsleute denken so. Tausendmal habe ich gehört, daß die Wessis die besseren Genossen gewesen wären. Da ist insofern was dran, als einige müde gewordene Ostkommunisten es in 40 Jahren gelernt hatten, die Machthebel eingermaßen rational zu bedienen, um hinter der Fassade der Weltrevolution mit dem Wartburg zur Datsche zu fahren und sich das Wochende schön zu saufen. Dieses Kleinbürgerliche geht den Weststalinisten und den jüngeren Ostgenossen leider oft ab. Ihr Ziel ist der totale ideologische Sieg.

Was für mich besonders enttäuschend war: Daß Merz sich nicht von der Klimasekte abgegrenzt hat, sondern ihr zum Munde redet. Sicher muß man zum Schluß Kompromisse mit den Klimaidioten machen, aber vorher schon einen Kotau zu machen, das ist machtpolitisch verheerend. Ein Kompromiß könnte zum Beispiel die Nutzung der Kernkraft sein. Sie ist billig, grundlastfähig und verbrennt nichts.  Die deutsche Wirtschaft wäre gerettet, der Strompreis bei 12 bis 15 Centern pro kWh und alle könnten zufrieden sein.

Bei der thüringer CDU – in Apolda sind regelmäßig mohringnahe Kreisverbände überrepräsentiert – kam Merzens Auftritt sehr gut an, klang doch manchmal ein merkelkritischer Ton an. Merz macht sich berechtigterweise Sorgen um Deutschlands Wirtschaftskraft. Da ist er zumindest mit der AfD und der Masse der Thüringer im Einklang. Auch seine Aussagen zur Rechtsstaatlichkeit und zum Grenzschutz fanden viel Beifall. Seine Statements zu Europa sind leider etwas verschwommen: Will er nun Merkels Krieg gegen Osteuropa fortsetzen oder will er die Front hinsichtlich der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder begradigen? Vielleicht ist Apolda nicht der Ort, dazu Stellung zu nehmen, aber warum hat er es gestern in Ostberlin nicht gemacht?

Das größte Dilemma von Merzens Konzeption – der Verbleib von Merkel im Kanzleramt bis Herbst 2021 – wurde nicht einmal erwähnt. Die Kanzlerin ist jedoch der Elefant, der im Porzellanladen steht, und nur darauf wartet wieder Geschirr zu zertrampeln. Eine Halbheit, die schon AKK das politische Genick gebrochen hat. Es kann nicht wie nach der Februarrevolution von 1917 eine Doppelherrschaft der Räte im Konrad-Adenauer-Haus und der provisorischen Berliner Regierung geben. Und Merz wird keine Oktoberrevolution anzetteln.

Zum Schluß fiel eine Bemerkung zu Mohring, die darauf schließen ließ, daß dessen Karriere im Falle einer Wahl von Merz zum Parteivorsitzenden doch noch nicht ganz zu Ende wäre und er nach dem Sturz des stalinistischen Regimes von Dr. Merkel rehabilitiert werden würde. Da deutet sich eine Allianz an, eine überwiegende Präferenz der thüringer CDU-Delegierten für Merz.

Ob Friedrich Merz das was nützen wird? Die Stalinpresse und das zwangsfinanzierte Staatsfernsehen graben gerade unvorteilhafte Geschichten über den Kandidaten aus. Da für die Berliner alle Thüringer Nazis sind, könnte heute auch eine Kontaktschuld für Merz entstanden sein. Er muß sich gegen die Medien stärker wehren, denke ich. Manchmal ist es nicht schlecht, wenn man die Redakteure zuerst angreift, daß die sich verteidigen müssen. Naja, ich will Merz keine taktischen Ratschlage geben, das darf und will ich nicht.

Eins muß man der Aschermittwochs-Veranstaltung in Apolda lassen: Es war die interessanteste in 28 Jahren.