Drei Krisen im Rückspiegel

Die Wirtschaftskrisen beginnen immer mit dem Märchen, daß diesesmal alles anders ist, daß die Gesetze der ökonomischen und börsianischen Schwerkraft nicht mehr gelten. Das war 1997 bis 2002 während des Neuen Markts so, 2002 bis 2008 betraf es das Investmentbanking und derzeit die Digitalisierung und Dekarbonisierung.

Derzeit gibt es wieder mal einen Run auf Mode- oder Zeitgeistaktien. Das sind zum Beispiel Digitalisierungs-, Impfstoff-, Wasserstoff-, Wind-, Cannabis- und Onlineshopwerte. Nachdem die Solarfirmen bereits grandios gescheitert sind.

Vor gut 20 Jahren tobte schon einmal der Technologiewahn. Im Nemax war von 1997 bis 2004 ein bunter Haufen aus Glücksrittern, Wagehälsen und seriösen Geschäftsleuten versammelt. Einige Aktien ereichten teslaeske Bewertungen, zum Beispiel die Telekom, Íntershop und Infineon. Die seriösen wie Bechtle und Nemetschek brauchten zwei Jahrzehnte um groß herauszukommen.

Im Folgenden sind vier Technologieaktien verfolgt worden:

a) auf dem Höhepunkt des Neuen Markts im März 2000

b) nach dem Platzen der Technologieblase beim Ausbruch des Irakkriegs im März 2003

c) auf dem Höhepunkt des Investmentbankings im Januar 2008

d) in der Bankenkrise im Januar 2009

e) vor dem Shutdown im Januar 2020

f) im zweiten Shutdown im Januar 2021

Mrz 00 Mrz 03 Jan 08 Jan 09 Jan 20 Jan 21
Dt. Telekom 90,7 9,4 13 8,9 14,7 15,2
Jenoptik 25,2 8,5 5,2 5,9 23,9 25,5
Infineon 60,4 6,3 6,1 0,6 20,9 35,4
Intershop 4756 15,9 9,3 3,7 2,9 3,7

Jenoptik hat nach 21 Jahren den alten Wert wieder erreicht, die anderen drei sind bis heute abgeschmiert.

Der nächste Glaubenskrieg tobte vor 2008 rund um das Investmentbanking. Tony Blair und Bill Clinton erzielten während der Periode des Vorziehens von Erträgen – etwas anderes war es nicht – unglaubliche Steuereinnahmen und begannen die Staatshaushalte zu sanieren. Das begann man in Berlin neidisch zu beobachten. Die deutschen Banken hatten gegenüber den britischen und amerikanischen jedoch Verspätung. Die Mainstreammedien und auch Staatssekretär Jörg Asmussen kritisierten die Zurückhaltung und dann legten auch die deutschen Banken so richtig los, allerdings kurz vor dem Platzen des Luftballons. Einige Landesbanken blieben ganz auf der Strecke, die beiden Großbanken sind als Schatten ihrer selbst zurückgeblieben.

Mrz 00 Mrz 03 Jan 08 Jan 09 Jan 20 Jan 21
Deutsche Bank 69,5 33,1 60 12,8 7,2 9,2
Commerzbank 245,8 28 107,5 14,9 5,2 5,8

Die Kurse sprechen für sich.

Nach 25 Jahren wird fast wieder dasselbe Märchen von der Digitalisierung erzählt, wie beim Neuen Markt. Die Parole erinnerte ein bißchen an den Neuen Menschen der Wandervögel, genau wie Klaus Schwabs großer Reset an den großen Kladderadatsch und die Blutreinigung vor dem Ersten Weltkrieg.  Einige Aktien haben schon wieder die Bodenhaftung verloren, das ist regelmäßig der Fall, wenn das Kurs / Gewinn – Verhältnis den Faktor Hundert überschreitet.

So bauen sich Krisen auf: Es wird mit „Wachstumswerten“ auf Kredit mit langen Hebeln spekuliert, die Erwartungen werden nicht erfüllt, es muß beim leiseten Windstoß hektisch alles verkauft werden, auch die guten und gesunden Firmen leiden einen Moment in der Panik. Letztere berappeln sich schnell wieder. Hier ein paar Exempel von breit aufgestellten Konsumwerten:

Mrz 00 Mrz 03 Jan 08 Jan 09 Jan 20 Jan 21
Archer Daniels 10,9 9,9 31,5 20,2 40,8 44
Unilever 15,8 18,9 22,6 17,8 52,4 49,2
General Mills 18,3 20,9 18,2 23,3 48,6 45,7
Procter Gamble 43,5 40,6 45,6 44,4 114 108,3
Johnson & Johnson 42,8 52,5 45,3 44 134,8 134,7
Nestle 19 20 31 26 100 95
Beiersdorf 24 34 49,3 40 106 91,3
Reckitt Benckiser 9,7 15,1 34,2 28,6 71,6 72,4
Henkel 19,3 16,8 29,2 17,5 85,6 78,2
LVHM 79,3 32,4 62,6 36 436,2 508,3

Andere wie Kraft Heinz, Mondelez, Ebro Foods, Hormel Foods, Tyson Foods haben nicht so eine lange Historie, weil sie im betrachteten Zeitraum umstrukturiert wurden. Sie sind es jedoch auch wert betrachtet zu werden. Wie die drei Tabellen zeigen, kann man mit Unternehmen, die eben nicht im Focus der Medien stehen sein Vermögen über Krisen verschiedener Bauart hinüberretten. Man wird damit nicht ganz so schnell reich, denn mühsam ernährt sich das Eichhörnchen. Aber man kann ruhig schlafen, während an der Hohen Börse Hektik und Konfusion herrschen.

Derzeit wird in der sog. „Qualitätspresse“ gerade für Wasserstoff-Startups getrommelt. Sicher kann man damit Glück haben, wahrscheinlicher ist Pech. Die ganze Branche – egal wer erfolgreich sein wird, oder auch nicht – benötigt einige seltene Metalle wie zum Beispiel Palladium und Platin. Der Großteil der Förderung in Südafrika und Nordamerika verteilt sich auf nur drei Bergbaubetriebe, die ich mir mal etwas genauer angeschaut habe. Von zweien habe ich mir bevor der Hype richtig losging, ein paar Aktien gekauft. Da verspare ich mir die teuren Risiken der Industriepioniere und kann relativ entspannt beobachten. Denn die beiden Metalle werden nicht nur für Katalysatoren benötigt. Und man kann den braven Xhosas und Zulus in den Minen noch was Gutes tun. Glückauf, der Steiger kommt!

 

Grüße an den V-Schutz: Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, die Wirtschaftspresse ist anders rum.