Mit Linken reden?

Da ich auf dem Dorf wohne und mal Bürgermeister war, habe ich das immer gemacht. Im ländlichen Raum hat man keine Chance dumm zu tun, weder die Linken, noch die Rechten. Weil man gemeinsam reale Probleme lösen muß, wo der Staat nicht hinkommt. Im Lauf der Jahre kämpfte man mit Scheeverwehungen, dem Fuchs, liegengebliebenen Fahrzeugen auf der einzigen Zufahrt, Parkraumterror des Ordnungsamtes, Überschwemmungen, Umleitungen wegen Baustellen, Bußen der Kreisverwaltung, einem trockenen Dorfteich, einem übergelaufenen Dorfteich und ausgebrochenen Schafen. In der Stunde der Not ist man für den Nachbarn da, so gebietet es die Überlieferung.

Es hat bei Gemeinderatswahlen keine Parteilisten gegeben, auch ich selbst und meine Nachfolger hatten nie für eine Partei kandidiert. Das war übrigens schon in den 20ern und im Kaiserreich aus gutem Grund so der Brauch, wie das Protokollbuch der Gemeinde verriet. Nur in der Zone gab es den Block der Parteien und Massenorganisationen in der Ortspolitik. Das war aber auch die Zeit, wo viele Leute mehr als 2 m Abstand hielten oder in den Westen wollten.

In der Stadt ist das Sprechen miteinander schon ein bißchen schwieriger, weil es weniger gemeinsame Interessen gibt. Trotzdem macht es Spaß miteinander zu reden, wenn es sich nicht gerade um Vollpfosten handelt. Einmal hatte die AfD unten im Tal in der Kreisstadt ein Volksfest auf dem Marktplatz organisiert. Am Rande standen natürlich auch die üblichen Verdächtigen und verteilten ein Pamphlet gegen die AfD (siehe Beitragsbild). Ich bin hingegangen und habe den Leutchen erklärt, was sie machen müssen, damit es jemand glaubt: Sie hatten alle möglichen sozialpolitischen Sünden der AfD zusammengetragen, aber die Armensteuern EEG, GEZ, Energiesteuer, Stromsteuer und Tabakssteuer völlig vergessen zu erwähnen, wo Linke, CDU, Grüne und SPD soziale Eiseskälte walten lassen. Die junge Dame an dem Stand mit den Heftchen mußte lächeln, als ich ihr den Denkfehler entdeckt hatte.

Oder die Linksfraktion im Kreistag beschwerte sich, daß sie nach dem letzten Wahlergebnis hinter der AfD sitzen muß. Ich bin hinter zu den Jungs gegangen und habe ihnen in Erinnerung gerufen, daß die AfD fünf Jahre hinter den Linken und sogar noch den Grünen gesessen hatte, ganz tapfer, ohne sich zu beschweren. Ein Linksabgeordneter grinste und rief mir zu, ich solle die Beschwerde sportlich nehmen.

Sogar mit den Grünen haben die Alternativen zusammen gelacht. Einmal stellte sich eine Amtsleiterin im Kreistag vor und stand mit dem Rücken zu den Grünen. Jemand verlangte, daß sie sich rumdreht. Ein Grüner sagte deutlich hörbar: „Ihr Hintern ist doch auch sehr schön!“ Das sind so Sternstunden des Parlamentarismus, wo nicht die Disziplinardominas wie Roth, Künast, Merkel und wie heißt eigentlich die SPD-Vorsitzende jede barocke Regung und jede kleine Schmeichelei in spätgotischer Tristesse ersticken.

Wenn das spaltende Ungetüm aus der Uckermark weg ist und ihre schwerreichen Hintermänner entmachtet, wird man wieder miteinander reden, auch wenn einiges Porzellan zerschlagen ist. In der Nachkriegszeit wurde im Nahbereich so getan, als hätte es das Dritte Reich nicht gegeben. Man wußte natürlich genau, wer vor dem Krieg in der Partei gewesen war, und welche Mütter BDM-Führerinnen. Angesichts der Neugenossen waren sie das kleinere Übel, denn sie konnten einem nicht mehr viel schaden. So leger wird man wohl auch nach der Merkelperiode mit den Altparteien umgehen. Schwamm drüber und ein Rat von Bob Dylan:

Strike another match, go start anew
And it’s all over now, Baby Blue.

 

Grüße an den V-Schutz: „Neues Spiel, neues Glück. Hier ist jedenfalls Feierabend“, ist eine relativ freie Übersetzung.