Für Berlin reicht der zweite Frischegrad

Die Kurzzeitvertretung im Familienministerium, Frau Giffey, hat angesichts der Turbulenzen um ihre Doktorarbeit ihren Job zurückgegeben. Finanziell hat sich der Schnupperkurs im Ministerium von März 2018 bis Mai 2021 verlohnt. Laut Bundesministergesetz stehen ihr gemäß BILD für zwei Jahre maximal 221.751 Euro Übergangsgeld zu, davon bis zur Wahl in Berlin 57.000 €. Es gab Zeiten, da hat der Bundeskanzler Brandt pro Monat umgerechnet 5.000 € im Monat verdient. Da gab es allerdings noch keine teure Quortenfrauenwirtschaft. Giffey ist nach dem Freiherrn von Guttenberg und Frau Schavan das dritte Opfer der akademischen Kopiererei in Merkelschen Bundeskabinetten. Dazu kommt eigentlich noch Andreas Scheuer, der seinen in Prag erworbenen Leichtgewichtstitel nicht mehr führt. Es riecht immer so ein bißchen nach Betrug, zumindest aber nach Geltungssucht. Dabei ist es angesichts des auf einen Tiefpunkt gesunkenen Ansehens der Universitäten mittlerweile doch ehrenhafter wenn man keinen akademischen Grad hat. Der Malermeister Tino Chrupalla oder der Elektromeister René Springer aus dem Bundestag sind in dieser Hinsicht fein raus.

Was freilich typisch für den Hauptstadtsumpf ist: Einem Amt im Bund fühlt sich Frau Giffey moralisch nicht mehr gewachsen. Sie kandidiert aber weiter als Spitzenkandidat der SPD für die Abgeordnetenhauswahl in Berlin und will gar Bürgermeister werden. Für die Hauptstadt reicht offenbar auch Spitzenpersonal, welches im Bund als Ausschuß gehandelt wird. Früher tickten die Uhren anders: Willy Brandt wurde nicht 1966 Bundesminister und 1969 Bundeskanzler, nachdem er das Amt des Berliner Oberbürgermeisters an die Wand gefahren hatte.

Der „zweite Frischegrad“, das ist ein Euphemismus für angegammelte Ware aus dem Roman „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow. Der ausländische Magier zum Buffettier: „Dieser zweite Frischegrad, das ist Quatsch! Es gibt nur einen Frischegrad – den ersten, und das ist gleichzeitig der letzte. Und wenn das Störfilet vom zweiten Frischegrad ist, dann heißt das nichts anderes, als das es faulig ist!“ Nicht so in Spreeathen. Dort adelt ein bißchen Gestank.

Karl Marx hatte in den „Grundrissen“ ein Gespür für die dunkle Seite von Hauptstädten: „wo das Staatsoberhaupt und seine Satrapen“ die Erträge des Umlands „als labour-fonds verausgaben.“ Hätte er die Besoldungsordnung der Bundesregierung gekannt, hätte er statt „verausgaben“ geschrieben: „verschleudert“.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Berlin. Es lebt dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern daß man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muß, um sich über Wasser zu halten.“ (Geh. Rath v. Goethe, 1823)