Kein System ist perfekt

Rückblickend will ich mal einschätzen, ob das simple Analysesystem, das ich mir gebaut habe, zielführend bei der Aktienauswahl ist. Nehmen wir also mal an, ich hätte vor drei Jahren vor der Aufgabe gestanden ein Portfolio aus dem Dax zu gestalten. Grundlage wären die 2019er Bilanzzahlen gewesen und ich lasse mal die letzten drei Jahre Revue passieren. Der 18. Februar 2020 war die allerletzte Eisenbahn vor dem Kóronaabsturz des Aktienmarkts. Ich erinnere mich: Die WELT trommelte um die Jahreswende 2019/2020 wie verrückt zum Aktienkauf, was eigentlich ein Warnsignal ist. Journalisten machen immer zum unglücklichsten Zeitpunkt Werbung. Hier beginnt also die dreijährige Überprüfung. Meine Kriterien für lohnenswerte Käufe sind:

Die Bilanz der vorhergehenden Jahre ohne Verlust, KGV kleiner 18, Marge ab 8 %, Eigenkapital ab 30 %, Dividendenrendite ab 3,5 %. Dabei sollen 4 bis 5 Kriterien passen. Ich weiß das ist ehrgeizig, aber durch diese Nadelöhre müssen die Kamele hindurch. Das Konzept ist nicht gewinnoptimierend, sondern sicherheitsorientiert. Wachstumsphantasien bleiben außen vor.

Unter Gewinn/Verlust habe ich die Kurse (welche Ausschüttungen enthalten) vom 18. Februar 2020 und dem 18. Februar 2023 verglichen, einschließlich einer Berücksichtigung von 15 % Inflation im betrachteten Zeitraum. Denn was nutzen Gewinne, die von der Geldentwertung aufgefressen werden. Es geht ja um Kapitalerhalt.

Gewinn/Verlust Bilanzhistorie KGV Marge Eigenkap. Div.-rendite erfüllte Kriterien
adidasminus 46 % xxx3
Airbusminus 9 %0
Allianzminus 18 %xxx3
BASFminus 27 %xxx3
Bayerminus 33 %xxxxx5
Beiersdorfminus 8 %xxx3
BMWplus 30 %xx2
Brenntagplus 27 %xxx3
Continentalminus 39 %x1
Covestrominus 11 %xxx3
Dt. Bankplus 4 %0
Dt. Börseminus 5 %xx2
Dt. Postplus 8 %xx2
Dt. Telekomplus 7 %xxx3
E.ONminus 24 %xx2
Fresenius MC minus 58 %xxx3
Freseniusminus 50 %xx2
Hannover Rminus 17 %xx2
Heidelberg C minus 12 %xxx3
Henkelminus 37 %xxx3
Infineonplus 38 %xxx3
Mercedesplus 76 %x1
Merckplus 27 %xxx3
MTU Aerominus 26 %xx2
Münch Rückplus 2 %xxx3
Porsche Autominus 25 %xxx3
Qiagenplus 14 %x1
RWEplus 2 %0
SAPminus 26 %xxx3
Sartoriusplus 52 %xx2
Siemensplus 37 %xxxx4
Siemens Enminus 28 %x1
Siemens Heplus 9 %xxx3
Symriseminus 16 %xxx3
VWminus 36 %x1
Vonoviaminus 54 %xxx3
Zalandominus 29 %xx2

Wir sehen mit einigen Ausnahmen ein tristes Bild. Drum war ich bis Oktober 2022 den deutschen Aktien aus dem Weg gegangen. Nachdem sie im vergangenen Sommer nochmals downgeknockt worden waren, habe ich Bayer, Dt. Post, Henkel und Merck gekauft (ist natürlich keine Empfehlung, weil ich das schon im Herbst gemacht hatte).

Wenn man mich fragt: Warum sind BMW und Mercedes gut gelaufen, VW bzw. Porsche dagegen grottig: Ich weiß es auch nicht. Das ist eben das Reich der Überraschung, gegen dessen Wunder man sich mit breiter Streuung absichert.

Wenn ich am 18. Februar 2020 mein System verfolgt hätte, hätte ich damals Bayer und Siemens gekauft. Bayer als Flop, Siemens mit gutem Gewinn, wie sich jetzt herausstellt. Aber ich habe im Februar 2020 nicht gekauft, weil das Gespenst von Kórona vor der Tür stand. Der ganze Markt machte Ende Februar/Anfang März erst mal eine gewaltige Kniebeuge. Neben Kamelen, Bullen und Bären gibt es immer wieder auch noch schwarze Schwäne wie Kórona, Verbrennerverbot, „Putin sein Angriffskrieg“ und vdLs Taxometrie.

Dieser Eintrag ist kein Plädoyer gegen Aktien, auch wenn er so aussieht. Der DAX ist ein besonders abschreckendes Kapitel und in den letzten drei Jahre waren sowieso fast alle guten Geister auf Tauchstation. Man sieht an dem Eintrag wie begrenzt Prognosemethoden sind. Positive Entwicklungen kommen oft unverhofft, schlechte auch. Wirklich fundamental grottige Aktien kann man allerdings mit guter Sicherheit ausschließen.

Das Jahr 2022 zeigt, daß man sich vor allem vor überbewerteten Aktien hüten muß. Die sind letztes Jahr regelrecht abgestürzt, während solche mit nachvollziehbaren Preisen sich wacker gehalten hatten. Dieses Phänomen ist ein Argument gegen ETFs, weil man da nicht Herr des Verfahrens ist. Die großen Vermögensverwalter waren mit Apple, Google, Meta, Amazon, Tesla & Co. reihenweise unter die Räder gekommen.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Wer sich aufs Geld versteht, versteht sich auf die Zeit.“ (Geh. Rath v. Goethe)