Fremde Kulturen, die WELT, Karl Marx und Maximilian Krah

Es ist nicht alles gequirlte Grütze, was Frederik Schindler bisher in der WELT geschrieben hat. Aber nun ist er doch ins Propagandafach abgeglitten.

Dem Politiker Krah (AfD) wird das Umwerben von Islamisten vorgeworfen: „Zugrunde liegt die von der Neuen Rechten propagierte kulturrelativistische Ideologie des Ethnopluralismus, die die Existenz homogener Völker behauptet, für gegenseitigen Respekt plädiert sowie letztlich auf ethnisch reine Gesellschaften zielt, die mit dem Grundgesetz in keiner Weise vereinbar sind. Die Präsenz des Islam in Deutschland wird abgelehnt, islamisch begründete Unterdrückungsverhältnisse andernorts werden hingegen unkritisch betrachtet.“ So Schindler.

Zum einen geht es hier nicht um Islamisten, sondern um den Islam. Die AfD ist ja nicht islamistenkritisch, sondern islamkritisch. Zum andern vergißt der Autor Schindler die ganzen in die Hose gegangenen amerikanischen, englischen, französischen und russischen Versuche fremde Kulturen umzukrempeln. Ich lasse das gescheiterte Kapitel des klassischen Kolonialismus mal weg und beginne nach 1960. Das ging mit dem verlorenen Vietnamkrieg los, setzte sich in Kambodscha fort, die Russen holten sich in Afghanistan 1978 bis 1989 eine blutige Nase, Osteueropa und Zentralasien mußten 1990 aufgegeben werden, die Amis versagten in Somalia, Irak und auch in Afghanistan, der ganze arabische Frühling war eine einzige Katastrophe und das Umkrempeln der Ukraine gelang auch nicht, es handelt sich nach wie vor um einen korrupten orthodoxen Sumpf. Die Geschäfte von Hunter Biden illustrieren das vortrefflich. Die Transformation Sri Lankas endete in einem Volksaufstand der Hungernden gegen die grünen Knechte der ausländischen Oligarchen.

Es geht letztlich um Kultur und Tradition, die nicht immer an Ethnien gebunden sind, oft aber schon. Der Islam ist über viele Völker weit verbreitet und daher auch etwas vielschichtig, der Konfuzianismus als chinesische Spezialität an eine Ethnie gebunden. Das kann man nicht alles so über einen ethnischen oder wie der Schindler meint, völkischen Kamm scheren.

1972 wurden die Araber, die in das Münchner Attentat verwickelt waren, in die Zone ausgewiesen. Ein Teil wurde in mein Studienjahr integriert. Die Araber bestanden darauf, daß ausländische Einmischung in Angelegenheiten des Nahen Ostens schädlich und zum Mißerfolg verdammt sei. Sie waren bis 1974 übrigens keine Moslems, sondern hingen der Sekte des Marxismus-Leninismus an. 1974 konvertierten sie zum Islam, behielten aber die Auffassung, daß sich ausländische Einflußnahme nicht gehört, daß sich Regionen und Religionen aus sich selbst heraus fortentwickeln müßten, oder auch nicht.

Ich habe mir das in den frühen 70ern angehört und als Meinungsäußerung abgespeichert, ohne es damals für besonders wichtig zu halten. Inzwischen hat sich dieses arabische Konzept der getrennten Entwicklung immer wieder als praktisch relevant bestätigt. Es hat funktioniert, während alle Missionierungen durch moderne Sekten gescheitert sind

Die WELT hängt immer noch dem Konzept des Revolutionsexports an, das letztlich neokolonialstisch ist. Die Europäer, die Afrika und Indien unterworfen hatten, wollten die Kolonien ja nicht nur als Rohstofflieferanten ausbeuten, sondern auch mit fortschrittlichen Gesellschaftsentwürfen beglücken. Beispielsweise wurde der Sklavenhandel in Deutsch-Ostafrika verboten, was in blutige Aufstände mündete, weil in tradierte Gewohnheiten eingegriffen wurde und einträgliche Geschäftsmodelle trockengelegt.

Karl Marx als Revolutionär war vom Kolonialismus ganz angetan und versprach sich von den englischen Reformen in Indien viel. Folgen wir einem Aufsatz aus dem Jahr 1853:

„England hat in Indien eine doppelte Mission zu erfüllen: eine zerstörende und eine erneuernde – die Zerstörung der alten asiatischen Gesellschaftsordnung und die Schaffung der materiellen Grundlagen einer westlichen Gesellschaftsordnung in Asien.

Die Araber, Türken, Tataren, Moguln, die Indien nacheinander überrannten, wurden rasch hinduisiert, denn einem unabänderlichen Gesetz der Geschichte zufolge werden barbarische Eroberer selbst stets durch die höhere Zivilisation der Völker erobert, die sie sich unterwarfen. Die britischen Eroberer waren die ersten, die auf einer höheren Entwicklungsstufe standen und daher der Hindu-Zivilisation unzugänglich waren. Sie zerstörten sie, indem sie die einheimischen Gemeinwesen zerschlugen, das einheimische Gewerbe entwurzelten und alles, was an der einheimischen Gesellschaftsordnung groß und erhaben war, nivellierten. Die Geschichte der britischen Herrschaft in Indien verzeichnet kaum etwas, was über dieses Werk der Zerstörung hinausginge. Spuren einer Erneuerung sind unter den Trümmern noch kaum bemerkbar. Dennoch hat sie bereits begonnen.

Die erste Voraussetzung für diese Erneuerung war die politische Einheit Indiens, fester gegründet und weiter ausgreifend als jemals unter der Herrschaft der Großmoguln. Diese Einheit, durch das britische Schwert aufgezwungen, wird jetzt Kraft und Dauer erhalten durch den elektrischen Telegraphen. Die von britischen Unteroffizieren aufgestellte und gedrillte Eingeborenenarmee war die sine qua non für Indiens Selbstbefreiung und dafür, daß Indien künftig nicht mehr dem ersten besten fremden Eindringling als Beute anheimfällt. Die freie Presse, die zum erstenmal in eine asiatische Gesellschaft Eingang gefunden hat und hauptsächlich von gemeinsamen Nachkommen der Hindus und der Europäer geleitet wird, ist ein neuer machtvoller Hebel der Erneuerung. Selbst so widerwärtige Erscheinungen wie das Samindari und das Raiatwairi verkörpern doch immerhin zwei ausgesprochene Formen von Privateigentum an Grund und Boden, nach dem die asiatische Gesellschaft so sehr verlangt. Aus den in Kalkutta widerwillig und in geringer Zahl unter englischer Aufsicht erzogenen indischen Eingeborenen wächst eine neue Klasse heran, welche die zum Regieren erforderlichen Eigenschaften besitzt und europäisches Wissen in sich aufgenommen hat. Die Dampfkraft hat Indien in regelmäßige und rasche Verbindung mit Europa gebracht, sie hat Indiens wichtigste Häfen mit denen des ganzen südöstlichen Ozeans verknüpft und es aus der isolierten Lage befreit, die der Hauptgrund seiner Stagnation war. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem dank dem Zusammenwirken von Eisenbahnen und Dampfschiffen die Entfernung zwischen England und Indien auf ein Zeitmaß von acht Tagen verkürzt und so dies einstige Märchenland wirklich an die Welt des Westens angeschlossen sein wird. (…) Bürgerliche Industrie und bürgerlicher Handel schaffen diese materiellen Bedingungen einer neuen Welt in der gleichen Weise, wie geologische Revolutionen die Oberfläche der Erde geschaffen haben. Erst wenn eine große soziale Revolution die Ergebnisse der bürgerlichen Epoche, den Weltmarkt und die modernen Produktivkräfte, gemeistert und sie der gemeinsamen Kontrolle der am weitesten fortgeschrittenen Völker unterworfen hat, erst dann wird der menschliche Fortschritt nicht mehr jenem scheußlichen heidnischen Götzen gleichen, der den Nektar nur aus den Schädeln Erschlagener trinken wollte.“

Sehr zum Leidwesen der Oligarchen ist der Hinduismus nach 180 Jahren immer noch quicklebendig, genauso wie der Islam, die Orthodoxie oder der Konfuzianismus. Die Machtübernahme des Proletariats ist weiter entfernt als der Mond. Die Eisenbahn und der Telegraph sind von asiatischen Gesellschaften übernommen worden und in ihr Gesellschaftsmodell integriert. Die glühende Antisemitin Greta wurde aus Indien im hohen Bogen herausgeworfen, auch weil sie sich in die hinduistische Landwirtschaftspolitik eingemengt hatte. In Sri Lanka dagegen tranken die westlichen Götzen den Nektar aus den Schädeln Verhungerter, um in Marxens farbigem Bild zu verweilen.

Krah hat recht, wenn er Sektenkriege mit fremden Kulturen ablehnt. Der blitzschnelle Rauswurf der NGOs aus Kabul und der Jubel des Volks beim Empfang der Taliban sprachen Bände. Aus unserer Sicht war das erklärungsbedürftig, aus islamischer Sicht wünschenswert.

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „“Die indischen Götzen, die sind mir ein Greuel“ (Geh, Rath v. Goethe)