Griechenland und der Wohlstand der Nationen

Wenn das Spar-Trio in Griechenland periodisch aufschlägt, um das Haushaltsdefizit zu prüfen, wird immer wieder die Verfehlung vorher vereinbarter Ziele festgestellt. Das BIP und die Steuereinnahmen sinken, Privatisierungen kommen nicht voran und immer sind doppelt soviele Beamte eingestellt worden, wie vorher versprochen. Die Beamtenzahl ist seit 1974 von 0,3 auf 1,3 Millionen gestiegen. Das unproduktive Griechenland triumphiert über das produktive.

Um die überversorgten Beamten herum hatte sich ein auf deren Bedürfnisse spezialisierter Dienstleistungssektor gebildet: Luxusrestaurants, Kulturbetrieb, Modeläden, Beamtengewerkschaften, Autohändler, Schmuck, Fashion, Friseure, Rechtsanwälte, Hausmeister, Steuerberater, Zeitgeistvermarktung, Wellness, ein skandinavisches Einrichtungshaus…  Dieser ganze Sektor jammert und ächzt jedes Mal, wenn den Beamten wieder Geld gestrichen wird.

Der Ökonom Adam Smith machte sich 1776 im „Wohlstand der Nationen“ Gedanken über das nützliche Verhältnis von produktiver und unproduktiver Arbeit. Die eine Arbeit als Warenproduktion, die andere als Dienstleistung. Smith schrieb dazu: „Die jährliche Arbeit eines Volkes ist der Fundus, aus der es ursprünglich mit allen notwendigen und angenehmen Dingen des Lebens versorgt wird, die es über das Jahr verbraucht. … Zwei Faktoren bestimmen nun in jedem Land diese Pro-Kopf-Versorgung: Erstens die Produktivität der Arbeit als Ergebnis von Geschicklichkeit, Sachkenntnis und Erfahrung, und zweitens das Verhältnis der produktiv Erwerbstätigen zu denen, die nicht auf diese Weise erwerbstätig sind. Von beiden Umständen hängt es ab, ob in einem Land das Warenangebot reichlich oder knapp ausfällt.“

In Griechenland fällt die Warenproduktion und damit verbunden auch der Export derzeit zu knapp aus. Etwa 5 % des BIP wird von der Landwirtschaft erbracht, 15 % von der Industrie, die restlichen 80 % bringt die Dienstleistungswirtschaft. So sagt es die offizielle Statistik.

Aber sagt das schon etwas über die wirklichen Verhältnisse aus?  Sind alle in der Industrie Beschäftigten wirklich Warenproduzenten? Sind alle im Dienstleistungssektor Tätigen für die Leistungsbilanz unerheblich? Nein, die Zahlen, so wie sie erhoben werden, sind ein Datenfriedhof. Die Abgrenzung zwischen Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistung bringt nichts.

5 % der griechischen Beschäftigten sind beispielsweise im Tourismus tätig, der überwiegend für Ausländer Leistungen erbringt und Devisen erwirtschaftet. Weitere Beschäftigte sind im Transportsektor tätig, insbesondere in Reedereien, die international tätig sind.

Dagegen gehören viele industriell Tätige zu denen, die für den Staat Dienstleistungen erbringen. Das betrifft zum Beispiel jenen Teil der Bauindustrie, der für den Staat arbeitet (das ist in allen Ländern der überwiegende Teil des Bauwesens) und die Rüstungsindustrie. Alle Produktionen, die exklusiv vom Staat konsumiert werden, müßten gesondert erfaßt werden, denn Straßen, Panzer und Ministeriumsgebäude werden auf Bestellung gebaut und nicht für den Markt.

Vorerst kann man beim Fehlen aussagekräftiger Statistiken nur rätseln und grob abschätzen, daß der Teil der griechischen Wirtschaft, der für die Schuldentragfähigkeit Griechenlands relevant ist, etwa 20 % Anteil am BIP hat, vielleicht auch deutlich weniger.

Drei Viertel bis Vier Fünftel der Beschäftigten sind in Verwaltungen und Staatsbetrieben, im Gesundheitswesen, in freien Berufen (die traditionell verlängerte Werkbänke der Staatsbürokratie sind), in Banken und Versicherungen (die für den Staat notwendig sind um Staatsschulden an Ahnungslose zu verkaufen), im Kulturbetrieb (der staatlich alimentiert wird), bei Zünften, Gewerkschaften, Kammern und ähnlichen staatlich verfaßten Parasiten beschäftigt. Diese machen Schulden, tragen zum Schuldendienst und zu Tilgungen jedoch nicht bei.

Angeblich betragen die griechischen Staatsschulden 142 % des BIP. Im BIP ist auch der unproduktive Dienstleitungssektor enthalten. Wenn man die griechischen Schulden auf die produktiv Tätigen bezieht, ist die Lage mathematisch betrachtet hoffnungslos.

Zum Vergleich: Deutschland hat ungefähr 30 % produktiv Beschäftigte und gemessen am BIP 80 % Staatsschulden.

Quotient Schulden / Produktiv Beschäftigte in Deutschland: 80 / 30 = 2,6

Quotient in Griechenland 142 / 20 = 7,1

Das heißt, daß jeder produktiv Beschäftigte in Griechenland den fast 3 fachen Schuldendienst stemmen müßte, als der vergleichbare Deutsche. Ja, müßte ….

Weitere Schuldenerlasse in Griechenland sind unausweichlich, unbedingt erforderlich ist jedoch die Korrektur des Verhältnisses von Produktiven zu Unproduktiven. Etwa 500.000 Staatsangestellte müßten in die Marktproduktion wechseln, um Griechenland fitzumachen. Dann würden die Proportionen zwischen Produktiven und Unproduktiven etwa internationalen Vergleichswerten entsprechen und die Anhäufung neuer Schulden wäre weniger wahrscheinlich. Ein Wechsel von 500.000 Beamten umfaßt 10 % der Beschäftigten. Das heißt, der Anteil der produktiv Tätigen würde von etwa 20 % auf etwa 30 % steigen. Das Trio will dagegen abwarten, daß die Beamten in Rente gehen oder vorher an Hunger sterben. Das bedeutet noch 20 Jahre Dauerkrise.

Das Trio-Konzept der Steuererhöhungen und Lohnkürzungen wird in Griechenland und bei anderen Pleitekandidaten scheitern, weil das Grundproblem, nämlich die Relation zwischen Produktiven und Unproduktiven nicht geändert wird. Ganz ohne die Erkenntnisse von Adam Smith zum Reichtum der Nationen wird es nicht gehen. Alles andere ist Drumrumgelaber.