Ein gefährliches Moralverlangen

Joachim Fest ging in seiner Hitlerbiografie der Frage nach, ob die nationalsozialistische Radikalität durch die Freisetzung verbrecherischer Instinkte oder durch ein Moralverlangen gespeist wurde. Er kam zum Schluß, daß diese Radikalität kein Problem der kriminellen, sondern der pervertierten moralischen Energie sei.

„Es waren vor allem Menschen mit einem starken, wenn auch zugleich richtungslosen Moralverlangen, an die der Nationalsozialismus appelliert hat….Der moralische Anspruch war ergänzt und überbaut von der Vorstellung einer besonderen Mission: dem Gefühl in einer apokalyptischen Auseinandersetzung zu stehen, einem Höheren Gesetz zu gehorchen, Agent einer Idee zu sein, oder was sonst auch immer die Bilder und Parolen einer eigentlich metaphysischen Gewißheit waren.“

Kann man diese Analyse nicht 1:1 auf die moslemischen Kämpfer im Heiligen Krieg beziehen? Es sprich alles dafür.

Das Entstehen eines starken Moralverlangens hat allerdings einige Voraussetzungen. Werfen wir deshalb zunächst einen Blick zurück ins Spätkaiserreich und in die Weimarer Republik. Deutschland war nach 1871 ein Konglomerat aus 25 Bundesstaaten und einem Reichsland. Es hatte 22 Residenzstädte mit zahlreichen Hofmusikanten, Hofschauspielern, Hofbibliothekaren, Hofmarschällen, Hofdamen, Prinzenerziehern, Zeremonienmeistern, Hofpredigern, Hoflieferanten, Hofköchen und Hofbaumeistern. Fast alle deutschen Hofschranzen verdankten ihre wirtschaftliche Existenz dem Kulturbetrieb der Kleinstaaten mit ihren Hoftheatern, Hofkapellen, Malschulen, Museen, Landesgymnasien, Universitäten und Hofbibliotheken. Das war allein von der Anzahl der zur Illusion privilegierten Stände ein deutsches Spezifikum. In anderen Ländern wurden nur die Hauptstädte mit einer destruktiven Kulturrevolution verdorben, in Deutschland das ganze Land. Deutschland war praktisch ein vortrefflicher Nährboden für Ideologie.

Es dauerte in diesem intellektuellen Treibhaus nicht lange, daß mit der Umwertung der Werte begonnen wurde. Es begann der Wettlauf zwischen Karl Marx und Friedrich Nietzsche im Tabubruch und bei der Propagierung des Neuen Menschen. Als Marx 1867 den ersten Band des „Kapitals“ veröffentlichte, lernten sich Nietzsche und Richard Wagner kennen, im Jahr der Erscheinung des zweiten Bandes 1885 schrieb Nietzsche den „Zarathustra“ und als endlich der dritte Band des „Kapitals“ 1894 auf den Büchermarkt kam, hatte Fidus bereits die erste Fassung des „Lichtgebets“ fertiggestellt. Nach 1870 blühten der Okkultismus, Nietzsches Philosophie, das Wagner´sche Gesamtkunstwerk, die Steinersche Lehre, der Jugendstil, die Wanderei, der Ausdruckstanz und die Reformkost, alles Zutaten des Nationalsozialismus.

Nach der nietzscheanischen Umwertung der Werte, nach dem Abschied von der christlichen Moral, nach der Hinwendung zum Recht des Stärkeren und des überlegenen Übermenschen gab es wie vordem noch Werte. Aber während das Töten früher geächtet wurde, so war es nun die höchste Tugend, während der Abstand von Haß früher von den Kanzeln gepredigt wurde, so wurde er aus der moralischen Mottenkiste als Antrieb zum Töten wieder herausgeholt, während die Achtung vor dem Alter mit seiner Weisheit früher oben stand, so wurden nun die Jugend und ihr Elan vergötzt.

In der Weimarer Republik verstärkten sich die moralischen Niedergangserscheinungen. Rauschgiftkonsum, sexuelle Orientierungslosigkeit, der Zusammenbruch des Papiergeldsystems, rassistische, spiritistische, antisemitische, okkulte und stalinistische Propaganda griffen immer mehr Raum und schufen ein Klima der Verunsicherung, in welchem der Nationalsozialismus mit straffen Moralvorstellungen in ein Vakuum stieß.

Und nun zu unserer Zeit. Was soll der arabischen und türkischen Jugend am Westen denn gefallen? Das Glühlampenverbot? Das Verbot selbst über den gewünschten Fernsehsender zu entscheiden? Das Verbot der Vertragsfreiheit? Das Verbot über den Großteil seines Geldes selbst zu bestimmen? Das Verbot seine Meinung zu sagen, ohne an den Pranger gestellt zu werden? Das Verbot Baumschnitt zu verbrennen? Das Verbot in einem alten Auto in die Innenstadt zu fahren? Das Verbot preiswerte Energie zu kaufen?

Von der sprichwörtlichen Freiheit des Westens ist nichts mehr übrig geblieben. Das Licht des marktwirtschaftlichen Leuchtturms, der der Welt früher Orientierung gab ist erloschen. Übriggeblieben sind eine kleinkarierte Gesinnungsdiktatur und ein Korb von lästigen Verboten. Können wir es unseren Freunden verdenken, wenn sie keine Lust haben sich zu integrieren und ein starkes männliches Überlegenheitsgefühl, welches in der moslemischen Welt ohnehin virulent ist, weiter kultivieren?

Können wir ihnen verdenken, daß sie mit Gender, Europlanwirtschaft, Feminismus und Klimawahn in der derzeitigen Extremausprägung nichts anfangen können? Ich kann gut verstehen, daß sich die jungen Moslems vom System abwenden und bessere Leitbilder suchen. Im Koran sind die allerdings nicht zu finden. Nach der islamischen Umwertung der Werte, nach dem Abschied von der christlichen Moral, nach der Hinwendung zum Recht des Stärkeren und des überlegenen Kämpfers gibt es wie vordem noch Werte. Aber während das Töten früher geächtet wurde, so wird es nun die höchste Tugend, während der Abstand von Haß früher von den Kanzeln gepredigt wurde, so wird er aus der moralischen Mottenkiste als Antrieb zum Töten wieder herausgeholt, während die Achtung vor dem Alter mit seiner Weisheit früher oben stand, so werden nun die Jugend und ihr Elan vergötzt.

Karl Marx schrieb im „18. Brumaire des Louis Bonaparte“: „Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Thatsachen und Personen sich so zu sagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als große Tragödie, das andre Mal als lumpige Farce.“ Wenn diese Sichtweise stimmen sollte, wissen wir immer noch nicht, welches Ereignis die Tragödie ist. Unsere polnischen Freunde sagen dazu: „Nigdy nie jest tak źle, że nie może być gorzej.” Es ist nie so schlimm, daß es nicht noch schlimmer kommen könnte.

Der Autor hat zum Thema „Der Bausatz des Dritten Reiches“ veröffentlicht.