Jena und die schillernde Uni

Lieber Leser, dieser Eintrag ist etwas unsystematisch und schillernd. Das liegt nicht am Schreiber, sondern an Jena. Es gab ja Sternstunden wie Friedrich Schillers Antrittsvorlesung am 26. Mai 1789, zwei Monate vor dem Ausbruch der Revolution in Paris. „Welche Zustände durchwanderte der Mensch, bis er […] vom ungeselligen Höhlenbewohner – zum geistreichen Denker, zum gebildeten Weltmann hinaufstieg?“, fragte der Weimarer Dichter seine Hörer. Mittlerweile nehmen die Jenenser Studenten den Weg zurück zum Höhlenmenschen. In der „Wissenschafts“-Hochburg Jena tobte letzten Mittwoch wieder der gewalttätige Mob. Am Rande einer Demo wurden drei Polizisten und fünf AfD-Demonstranten angegriffen.

Dabei hatte der Hauptredner der AfD-Demo am Mittwoch, Stefan Möller, die Stadt überschwenglich und in den höchsten Tönen gelobt. Kritik an der thüringischen Metropole des schlechten Benehmens wäre angemessener gewesen. Denn Wirrköpfe aller Art waren in der Stadt der Uni und des sauren Weins schon immer reichlich vertreten. Der protestantische Struwwelpeter Lothar König beispielsweise stand wegen Gewaltsaufrufen und schwerem Landfriedensbruch vor Gericht, was ihn nicht hinderte auch in jüngster Zeit zusammen mit seinen Freunden, dem bitterbösen Friederich, dem Zappelphillip und Hans-Guck-in-die-Luft in der Messemetropole Leipzig aufzuschlagen. Und es existiert neben den gewaltbereiten Protestanten auch die NPD, deren politischer Lebensfaden seit dem Abschalten der V-Leute jedoch etwas dünner geworden ist. Es gab nicht nur das braune Haus in Lobeda, sondern auch den durch den NSU bekanntgewordenen Jugendclub in Winzerla. Und anhand der Biografien der Uwes zeigt sich auch, daß es sich bei ideologischer Radikalität nach wie vor nicht um Armuts- sondern um Wohlstandsverwahrlosung handelt. Nicht alles kann die schräge Lügenpresse den angeblich unterbelichteten ostdeutschen Realschülern Kevin und Chantal (im Jenaer Slang: Gävin und Schandall) ans Bein binden. Die Eltern der Uwes waren wie in Jena üblich Lehrer und Professoren. Jena ist eben nicht radikal weil es arm ist.

Der Fisch fängt auch an der Saale hellem Strande am Kopf zu stinken an, und nicht am Schwanz. Der derzeitige Oberbürgermeister der Stadt, der bereits in dritter Ehe lebende Dr. Albrecht Schröter (SPD) fiel schon vor Jahren bei protestantischen Rüstzeiten durch antizionistische Aktivitäten auf. Zu Anfang haben viele Leute das als israelkritisch akzeptiert. Peter Grimm hat kürzlich aus Berlin von jüngeren antizionistischen Ausschreitungen berichtet: „Die Polizei hatte alles im Griff, eine junge Frau die den Pro-Israel-Demonstranten zubrüllte, „Ihr sollt alle vergast werden!“, wurde von Polizisten abgeführt. Mit dem Hitlergruß wurden die unter Polizeischutz abziehenden Demonstranten dann verabschiedet.“ Die antisemitische Umgebung des Bürgermeisters wird in rasantem Tempo zur NSDAP 2.0. Da sollten die nicht gerade wenigen Jenenser Demokraten auf das Stadtoberhaupt zukünftig etwas stärker einwirken.

Jena ist wie schon erwähnt eine traditionsreiche Universitätsstadt. Ein alter Studentenspruch lautete: „In Jene lebt sichs bene.“ (Jene wird „Dschäne“ ausgesprochen und das italienische bene wird dann zu „bäne“, lebt zu „läbt“) In Jena studierte beispielsweise Karl Ludwig Sand. Er nahm am Burschenschaftstreffen auf der Wartburg  teil und war Mitglied des Festausschusses sowie Fahnenbegleiter beim Zug auf die Wartburg. Am 23. März 1819 erstach Sand mit den Worten „Hier, du Verräter des Vaterlandes!“ den russischen Spion August von Kotzebue in dessen Mannheimer Wohnung.

Nicht nur die Studenten, sondern der Jenaer Lehrkörper war oftmals entweder radikal oder durchgedreht. Der Sächsisch-Weimarische Hochschullehrer Ernst Haeckel (1834-1919), der in Jena lehrte, wandte Darwins Theorie bereits im Spätkaiserreich auch auf den menschlichen Lebenskreis an und formulierte eine Einheitstheorie des Lebens, die er „Monismus“ nannte. In seinem Buch „Die Lebenswunder“ trat er explizit für „Euthanasie“ im Sinne einer gezielten Auslese bei Kindern ein. Das Buch hätte „Ablebenswunder“ heißen müssen, wenn es dem Inhalt hätte gerecht werden wollen. Nach Haeckels Welterklärung haben auch Kristalle eine Seele und Zellen ein Gedächtnis. Das ist von der wissenschaftlichen Fundierung her mit dem aktuellen Gender-Gaga oder der Potsdamer „Klimaforschung“ durchaus vergleichbar.

Bereits 1930 wurde in der Thüringischen Universität Jena der Lehrstuhl für Rassenkunde beschlossen, den der antisemitische Professor Dr. Günther einnahm. Der Lehrstuhl hatte zunächst  den Namen ‚Soziale Anthropologie‘.“ Wie so viele Lehrstühle, die Ideologie transportieren sollen, wurde er ohne Anforderungen an einen wissenschaftlichen Werdegang besetzt.

Ein haarsträubender Fall von Professorenidiotismus gehört ebenfalls ins liebliche Saaletal. Die Weimarer Malerin und Kunstkritikerin Mathilde von Freytag-Loringhoven (1860-1941) hatte ihrem Dackel Kuno von Schwertberg, genannt Kurvenal, angeblich das Rechnen beigebracht. Mehrere Wissenschaftler der Universität Jena begutachteten allen Ernstes die mathematischen Fähigkeiten des Köters und kamen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Die einen diagnostizierten Betrug, der Zoologe Prof. Ludwig Plate (1862-1937) bescheinigte Kurvenal (geboren 1928) dagegen quasi die Hochschulreife. Plate war sowohl Mitglied von Haeckels Monistenbund, wie auch der Gesellschaft für Rassenhygiene.

1932 hatte der NS-Studentenbund eine „überwältigende Majorität“ im Studentenausschuß der Universität erreicht. Damals wie heute fühlten sich die Masse der Studenten in der regierungstreuen und unkritischen Masse sauwohl. Man muß wissen, daß in Thüringen die NSDAP ab 1930 schon mitregierte.

Unwissenschaftlicher Hokuspokus an Universitäten ist wirklich nichts Neues. Karl Astel wurde 1934 vom Gauleiter ohne Habilitation und ohne nachvollziehbares Berufungsverfahren zum ordentlichen Professor an der Medizinischen Fakultät ernannt. Sein „Institut für menschliche Züchtungslehre und Erbforschung“, später „Institut für menschliche Erbforschung und Rassenpolitik“ wurde mit der Antrittsvorlesung „Rassendämmerung und ihre Meisterung durch Geist und Tat als Schicksalsfrage der weißen Völker“ ins Leben gerufen. Trotz aller Anstrengungen gelang es nicht wirklich, Rassemerkmale wie große Nasen und Ohren bei jüdischen Mitbürgern wissenschaftlich belastbar nachzuweisen. Es fand sich in den der Grundgesamtheit entnommenen Judenstichproben immer wieder eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Probanden mit zu kleinen Riech- und Hörorganen. Trotzdem wurde bis 5 Minuten vor 12 mit Steuergeldern „geforscht“. So wie heute an haarsträubenden Decroissance-, Commons-, Suffizienz-, ShareEconomy-, Peer-to-Peer-Production- und natürlich Degrowth-Projekten.

Die Aufzählung obskurer Lehrinhalte in der Uni Jena könnte man mühelos auf Buchstärke bringen, wenn man sich die Zeit nehmen würde. Von den Lehrgängen zum „Wissenschaftlichen Kommunismus“, zur „Marxistisch-leninistischen Philosophie“ und der „politischen Ökonomie des Sozialismus“ die 1945 bis 1990 obligat waren, schweigt des Sängers Höflichkeit. Zahlreiche Professoren und Studenten waren damals sogar Mitglieder der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands.

Derzeit qualifizieren sich die aus Schwaben zugestoßenen Jenaer Soziologie-Professoren Hartmut Rosa und Stephan Lessenich für das Weißbuch über Steuerverschwendung des Bundes der Steuerzahler. Sie referierten in Leipzig zum Thema „Wie kommt das Wachstumsdenken in unsere Köpfe und wie bekommen wir es da wieder weg?“ Einfach irre!

Wirklich eine Stadt der Skurrilitäten! Vor Weihnachten 1988 fand eine Leitungssitzung im Kombinat Carl Zeiss statt. Generaldirektor Wolfgang Biermann kontrollierte den Stand der Planerfüllung und der Rechnungsstellung. Für letztere war im Kombinat Prof. Dr. Klaus Mütze zuständig. Biermann fragte nach dem Stand einer wichtigen Exportrechnung und der Professor kam ins Stottern. So unnachsichtig, wie der Patriarch Carl Zeiss den Ausschuß seiner Gehilfen mit dem Hammer zerschlagen hatte, so ging Biermann zu Professor Mütze, schnitt ihm den Schlips ab und schlug vor, daß Mütze sich von Stund an Schlafmütze nennen solle. Nach der Sitzung drückte Biermann dem Professor, der übrigens wie Frau Kahane in der Staatssicherheit organisiert war, 25 Mark für den Schlips in die Hand.

In der Russenzeit zweifelte das einfache Volk die Wissenschaftlichkeit des Hochschulbetriebs prinzipiell an, wie folgende Anekdote beweist: Der Professor präsentiert der Medizinstudentin in der Prüfung ein männliches und ein weibliches Gerippe und bittet um Erklärung. Der Studentin fällt absolut nichts ein. Der Professor: „Was haben Sie denn in vier Jahren eigentlich gelernt?“ „Ach, so,“ antwortet die Studentin, „dann sind das wohl Karl Marx und Friedrich Engels.“