Der Balkan gegen Dr. Merkel

Jeder Staat braucht eine Legitimation, einen Lebenszweck. Das betraf auch das 1918 untergegangene Österreich-Ungarn. Der Hauptgrund für das Bestehen des Habsburger Großreiches war die Türkengefahr und die Grenzsicherung. Nach der zweiten Belagerung von Wien 1683 eroberte Österreich von den Türken große Teile des Balkans: Ungarn, Kroatien, Siebenbürgen und die südliche Slowakei. Insbesondere das heutige Ungarn war fast entvölkert und mußte neu besiedelt werden.  Die türkische Bedrohung blieb bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erhalten und war die Klammer für den Habsburger Vielvölkerstaat. Nach 1878 als die Türkei sich aus Bosnien zurückziehen mußte, begann Österreich-Ungarn von den Rändern her zu erodieren. Kroaten, Slowenen, Slowaken, Tschechen und Rumänen entdeckten zunehmend den Reiz der Eigenständigkeit und stellten das Zusammenleben in einem gemeinsamen Staat in Frage. Die Ungarn hatten schon vorher eine weitgehende Emanzipation erreicht.

Im Norden hatte das Habsburger Reich eine zweite Aufgabe: Das südliche Polen vor den Russen zu bewahren. Die Polen wußten, daß sie es in Österreich besser hatten, als in Deutschland und insbesondere in Rußland. Noch um 1900 stimmten Deutsche und Polen im cisleithanischen (österreichischen) Reichsrat fast immer gegen Tschechen, Italiener und Slowenen ab. Auch diese zweite Schutzfunktion entfiel mit dem Zerfall des Zarenreiches am Ende des Ersten Weltkriegs.

Österreich-Ungarn hatte 1918 keine Funktion mehr und zerfiel in Österreich, Ungarn, die Tschechoslowakei, Rumänien, Jugoslawien und Polen. Die Früchte ihrer Unabhängigkeit konnten die Völker nur zwischen den Weltkriegen genießen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Ungarn, Polen und die Tschechoslowakei russische Vasallen, Kroaten und Slowenen hatten schon seit 1919 nach der serbischen Pfeife zu tanzen.

Nach dem Zerfall des Warschauer Paktes 1990 wurde die österreichische Hauptstadt binnen weniger Jahre zur Drehscheibe des Handels und Wandels mit den befreiten ehemaligen Reichsgebieten Ungarns, der Tschechoslowakei und Polens.

Ein zweiter Zwischenschritt zur Auferstehung Österreich-Ungarns als loser Verbund von Staaten mit ähnlichen Interessen war der Zerfall Jugoslawiens in den 90er Jahren. Das Kunstgebilde Jugoslawien, das letztlich drei völlig verschiedene Kulturen in seinen Grenzen verwaltete, zerbrach als seine eigene Legitimation – der Schutz vor den stalinistischen Moskauern –  entfallen war. Slowenien und Kroatien entwickelten zunächst auf wirtschaftlichem Gebiet intensiven Kontakt zu Wien.

Die dritte Phase der Wiederauferstehung Wiens als Hauptort des europäischen Südostens wurde von Frau Dr. Merkel eingeleitet, als sie über die Köpfe der Balkanstaaten den Türkeideal einfädelte. Ein Zweckbündnis von Partnern, welches darin besteht, die dazwischenliegenden Staaten in Bedrängnis zu bringen, ist nie friedensstiftend. Der Stalin-Hitler-Pakt war so ein vergleichbarer Handel, um Polen zu ruinieren und das mit der EU nicht abgestimmte Merkel-Erdogan-Abkommen ist aus dem gleichen Holz geschnitzt. Der Balkan wurde in Unruhe versetzt, denn kein Balkanstaat außer Bosnien will die Deutschen und die Moslems wiederhaben. Die Geschichte des Balkans ist ein blutiger Überlebenskampf der Völker, der so schnell nicht aus dem kollektiven Gedächtnis der Serben, Griechen, Ungarn, Rumänen und Kroaten verschwindet. Da kann Frau Dr. Merkel Kopf stehen und mit ihrem Hosenanzug strampeln.

In Visegrád wurde am 15. Februar 1991 eine Staatengruppe aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn gegründet, um gemeinsame Interessen beim EU-Beitritt zu vertreten. Nach der Abspaltung der Slowakei sind es vier Staaten, die inzwischen gegenüber Deutschland und Rußland eine gemeinsame Haltung anstreben, derzeit insbesondere in der sogenannten „Flüchtlingsfrage“. 2015 nach dem Sturm der „Syrer“ auf Europa hatte Österreich sich an die Spitze einer Initiative gestellt, die den Balkan insgesamt abgeriegelt hat. Sowohl in Ungarn, Mazedonien, Bulgarien, als inzwischen auch in Kroatien wurden Grenzzäune errichtet, sehr zum Ärger der Merkelregierung. Auch in Tirol bereitet Österreich Notmaßnahmen vor, um eine Obergrenze an Einwanderern zu gewährleisten.

Wien ist zum politischen Ideengeber des gesamten Balkans geworden, denn auch die Länder des Südbalkans ziehen am selben Strang, wie Polen, Ungarn, Tschechen und Slowaken. Dabei hat die österreichische Regierung sicher auch das Eigeninteresse, daß der deutsche Nachbar stabil bleibt und nicht im Chaos der Dritten Welt versinkt. 1938 hatte ein aus der inneren Mitte geratenes Deutschland Österreich kurzerhand angeschlossen.

Das militärische Kräfteverhältnis zwischen Deutschland und den Gegnern einer unbegrenzten Einwanderung kann als ausgeglichen eingeschätzt werden. Deutschland hat einen Verteidigungshaushalt von etwa 33 Mrd. $ und 179.000 Soldaten. Das mit Merkel verbündete Luxemburg hat eigentlich keine Armee. Die Staaten der Visegrad-Gruppe und des Balkans haben dagegen folgende militärische Stärke:

Soldaten Ausgaben in Mrd. $
Österreich 26000 2,7
Ungarn 19000 1,9
Polen 150000 10,2
Tschechien 24000 3,2
Slowakei 14000 1,5
Serbien 75000 1,3
Kroatien 19000 0,7
Slowenien 7000 0,8
Mazedonen 14000 0,1
Bulgarien 29000 1,3
Rumänien 62000 3
Summe 439000 26,7

Bei der Aufstellung muß man bedenken, daß sowohl die serbischen wie auch die kroatischen Streitkräfte Kampferfahrung haben. Der deutschen Regierung fehlen die Machtmittel um auf dem Balkan und in Osteuropa die eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Die Türkei fällt als Mitkämpfer aus. Sie ist derzeit mit der Säuberung der eigenen Armee beschäftigt, und weiterhin vor allem mit dem russischen Nachbarn, der angrenzende Stützpunkte in Armenien und Syrien unterhält. Das bis an die Zähne bewaffnete kommunistische Griechenland ist ein weiteres Gegengewicht zur Türkei.

Merkel muß von Berlin aus zusehen, wie sich im Südosten der EU eine Föderation Habsburg 2.0 bildet, welche Berlin die Stirn bietet. Der Lebenszweck dieses Südostverbundes ist Widerstand gegen Dr. Merkel.

Eine Anmerkung: Sachsen stand im Siebenjährigen Krieg 1756-1763 und im Deutsch-Österreichischen Krieg 1866 an der Seite Österreichs. Insofern dürfte es kaum verwundern, daß die Sachsen auch heute am Tag der Deutschen Einheit die Position Österreichs in der Flüchtlingskrise teilen. Merkel wurde in Dresden aufgefordert abzuhauen.

In der Russenzeit gab es so einen lustigen Spruch: „Der Balkan fängt in Erfurt an“.