Arme kranke Kreatur hat Ungarn beleidigt

Die sozialdemokratische schwedische Sozialministerin Annika Strandhäll hatte den ungarischen Familienplan kritisiert, der steuerliche und finanzielle Vorteile für Familien mit Kindern vorsieht.

Auf Twitter hatte Strandhäll kommentiert, Orbáns Sieben-Punkte-Plan zur Geburtenförderung rieche „nach den 30er Jahren“. Darauf hatte Ungarns Außenwirtschafts- und Außenminister den schwedischen Botschafter einbestellt.

Nun muß man sich die ungarischen Förderungen mal genau ansehen, um zu urteilen, wonach es riecht:

Jede Frau unter 40, die zum ersten Mal heiratet, bekommt einen Kredit in Höhe von 10 Millionen Forint (31.847 Euro) zur freien Verwendung gewährt.

Die Rückzahlung des Kredits wird bei der Geburt des ersten Kindes drei Jahre lang ausgesetzt. Nach dem zweiten Kind wird ein Drittel des Kredits, nach dem dritten der gesamte Kredit erlassen.

Das Vorzugsdarlehen zum Erwerb von Wohneigentum (Csok) wird verlängert; Familien, die zwei oder mehr Kinder erziehen, können es jetzt auch für den Kauf von älteren Häusern nutzen (bisher war es auf Neubauten beschränkt).

Frauen, die mindestens vier Kinder hatten und erzogen haben, werden für den Rest ihres Lebens von der persönlichen Einkommensteuer befreit.

Die Regierung wird ein Autokauf-Subventionsprogramm für große Familien auflegen. Familien, die mindestens drei Kinder haben, haben Anspruch auf einen Zuschuss von 2,5 Millionen Forint, um ein neues Auto zu kaufen, das mindestens sieben Personen Platz bietet. (Anmerkung: in Ungarn ist man relativ fix Millionär, es handelt sich um 7.962 €)

Die Regierung wird in drei Jahren 21.000 Krippenplätze schaffen.

Die Großeltern werden auch Anspruch auf eine Kinderbetreuungsgebühr haben, wenn sie sich anstatt der Eltern um die kleinen Kinder kümmern.

Wesentliche Teile des ungarischen Familienplans erinnern mich stärker an die Ehekredite und den Krippenbau der DDR als an das Ehestandsdarlehen und das Mutterkreuz der Nationalsozialisten. Vom Ehekredit von 5.000 Ostmark (etwa 8 Monatslöhne, das reichte beispielsweise für einen Kühlschrank, eine Waschmaschine und eine Couch) wurden beim ersten Kind 1.000 Mark, beim zweiten 1.500 Mark und beim dritten Kind der Rest erlassen. Der Ostwitz dazu: „Der Biber baut sein Haus mit dem Schwanz“. Das ungarische Hypothekendarlehen funktioniert nach demselben Muster, ist finanziell jedoch wesentlich besser ausgestaltet.

Der Vergleich mit dem Ehestandsdarlehen des Dritten Reiches hinkt. Es war an erniedrigende Voraussetzungen wie eine amtsärztliche Untersuchung, Einreichung einer Sippschaftstafel und Arik gebunden. Anfangs auch an die Aufgabe des Berufs durch die Frau. Die im Durchschnitt 641 Reichsmark (etwa 2 bis 3 Monatslöhne) wurden in Form von Bedarfsdeckungsscheinen vergeben. Sie waren für für Hausrat aus deutscher Produktion einzulösen, und zwar: Gardinen, Betten, Teppiche, Küchengeräte, Öfen, Geschirr, Nähmaschine, Radioapparat und Musikinstrumente zur Hausmusik.

In Ungarn kann man ein bewohnbares gebrauchtes Haus ab 15.000 € bekommen. Die Nebenkosten sind wesentlich günstiger als in Deutschland. Insofern ist das Angebot der Regierung attraktiv, und man kommt deutlich weiter als im Nationalsozialismus oder im Spätbolschewismus.

Auf eine Besonderheit ist hinzuweisen: Das Darlehen bekommt die Mutter und nicht die Familie. Das entspricht der ungarischen Rechtsauffassung, daß sich Abstammung immer auf die Mutter bezieht. Im Fall von Trennungen der Ehepartner ist so manches einfacher. Um noch etwas Wasser in den süßen Wein des Feminismus zu kippen: Wenn Fräulein Ildiko Szabó Herrn Jószef Molnár heiratet, so ist sie danach Jószefné (Josef seine). So ist es zumindest im ländlichen Gebiet.

Die schwedische Sozialministerin hat sich mit dem Nazivergleich aus oben genannten Gründen vertan. Es sei denn, die ostdeutschen Kommunisten sind für sie auch Nazis. Der ungarische Regierungspolitiker Zsolt Semjen hatte die Schwedin mit Bezug auf den Nazivergleich als „arme kranke Kreatur“ bezeichnet, was wiederum die Einbestellung des ungarischen Botschafters in Stockholm zur Folge hatte. Europa, du bist ein Friedensprojekt!

Es wäre nicht schlecht, wenn sich alle Regierungen um die Angelegenheiten im eigenen Land kümmern würden. Übergriffige LehrmeisterInnen, die ihre Nase europaweit in jedem Quark begraben, braucht niemand.

Leider sind die deutschen, holländischen, luxemburgischen und schwedischen Sozialdemokraten derzeit die größten internationalen Störenfriede. Der Wähler muß ihnen bei der Europawahl mal ordentlich auf die Finger klopfen.

Übersetzung Beitragsbild linkes Plakat: Familienschutz-Aktionsplan, Rechtes Plakat: Babygeburtsunterstützung gibt der Jugend Häuser

Was sehr beschämend ist: Die Westpresse hat den Nationalsozialismus-Vorwurf der twitternden Schwedin überall breitgetreten.

Wen die schwedische Sozialdemokratie und ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus etwas stärker interessiert, kann sich den Wikipedia-Eintrag „Schweden im Zweiten Weltkrieg“ reinziehen. Man kann die 40er Jahre aber auch links liegen lassen und Frau Strandhäll einfach als arme kranke Kreatur abtun.