Wissenschaft noch unter Zonenniveau

Um 1980 veröffentlichte die Leopoldina ein recht kontroverses Gespräch zwischen Dr. Werner Hartkopf und Prof. Liselotte Welskopf-Henrich über die asiatische Produktionsweise. Liselotte Welskopf-Henrich stritt für die eigenständige Berücksichtigung und Existenz dieser ökonomischen Formation, die es weder in den Geschichtsbüchern, noch in Stalins Schrift „Über dialektischen und historischen Materialismus“ aus dem Jahr 1938 gab. Es handelte sich um die asiatische Produktionsweise, die in einer spezifischen Ausprägung im 15. Jahrhundert von der Goldenen Horde nach Rußland und 1945 von dort aus in die Zone eingeschleppt worden war. Hartkopf verteidigte dagegen das stalinistische 5-Phasenmodell aus Urgesellschaft, Sklaverei, Feudalismus, Kapitalismus und Sozialismus. Genosse Stalin hatte den Stab über die asiatische Produktonsweise gebrochen: „Das geographische Milieu ist unbestreitbar eine der ständigen und notwendigen Bedingungen der Entwicklung der Gesellschaft, und es übt natürlichauf die Entwicklung der Gesellschaft seine Wirkung aus – es beschleunigtoder verlangsamt den Entwicklungsgang der Gesellschaft. Aber sein Einfluss ist kein bestimmender Einfluss, da die Veränderungen und die Entwicklung der Gesellschaft unvergleichlich rascher vor sich gehen als die Veränderungen und die Entwicklung des geographischen Milieus.“ 

Der Hintergrund von Stalins Verriß: Der Sozialismus sollte als eigenständige moderne Produktionsweise und nicht als abgestandener Aufguß einer chinesisch-mongolischen Wirtschaftstradition erscheinen.

Einen Hauch von Toleranz und Vielfalt, um einen Disput zu führen, gab es also selbst in der Mittelphase der Zone. Freilich waren auch damals die Freiheiten sehr begrenzt, eskortiert von Gänsefüßchen der Karl-Marx-Zitate kämpfte sich die Althistorikerin durch das dogmatische Minenfeld. Doch Tempi passati. Derzeit sieht die Lage so aus, daß die kleinste Abweichung von den Dogmen des Weltwirtschaftsforums, der Gates- und der Sorosstiftung unzulässig ist:

Die Dogmatiker haben das Heft des Handelns wieder in der Hand. Es ist Zeit für Entstalinisierung und Tauwetter.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Wissenschaftstheoretiker haben wiederholt demonstriert, daß auf eine gegebene Sammlung von Daten immer mehr als eine theoretische Konstruktion passt.“ (Thomas S. Kuhn)