Die SPD – Einst geliebt, heute verhaßt

Noch in der Kaiserzeit war Sachsen eine Hochburg der SPD. Selbst bei der für die SPD sehr schlecht gelaufenen Reichstagswahl von 1907 brachte die SPD in den Wahlkreisen Zwickau, Chemnitz, Mittweida, Meerane-Glauchau und Stollberg ihre Kandidaten durch. Der Bekannteste von ihnen: Gustav Noske.

Allerdings hatten die sozialdemokratischen Abgeordneten von 1907 noch ordentliche Berufe: Noske war Korbmacher, Hermann Molkenbuhr war Hilfsarbeiter in der Zichorienfabrik, Karl-Wilhelm Stolle, der den Wahlkreis Zwickau vertrat, war Gärtner. Daniel Stücklen war Feingoldschläger, Georg Schöpflin Bürstenmacher. Kein Abgeordneter war damals Politologe, Genderforscher, Journalist oder Kandidat der Sozialwissenschaften.

Inzwischen sollten sich Sozialdemokraten in proletarischen Gegenden von Sachsen nicht mehr blicken lassen. Denn sie beschimpften die Sachsen als Mob oder Pack. Die Einladung des Deutschen Gewerkschaftsbundes an Sigmar Gabriel am Ersten Mai nach „Zwicke“ zu kommen, war deshalb schon etwas mutig. Und dann wurde er auch noch krank und die Haßfigur Heiko Maas wurde als Ersatzmann losgeschickt.

Jeder Sachse weiß es: Die Gegend zwischen Plauen, Leipzig und Dresden war 1989 das Zentrum des Widerstands gegen die Staatssicherheit und gegen die führende Rolle der SED. Um die Bahnhöfe zwischen Dresden und Plauen entspannen sich bei der Durchfahrt der Aussiedlerzüge von Prag nach dem Westen regelrechte Straßenschlachten. Denn viele wollten mit.

Wenn jetzt der Saarländer Maas, der mit einer Ex-Angestellten der Stasi kooperiert, nach Sachsen reist, um zu agitieren, löst das berechtigte Verärgerung aus. Er hätte vielleicht in eine Universitätsstadt, zum Beispiel nach Göttingen, Konstanz oder Freiburg fahren können und hätte dort von verhetzten Politologiestudenten den erhofften Beifall bekommen. Aber in eine Arbeiterstadt? Weiß die SPD nicht, daß in der Nähe das VW-Werk Mosel ist? Maas wollte in Zwickau wohl das Rad der Geschichte noch einmal zurückdrehen?

Es kam wie es kommen mußte: Das „Pack“ schlägt zurück. Mit dem Trillergepfeife, mit dem der DGB früher öffentliche Auftritte von Dr. Helmut Kohl begleitete, wurden die Politfunktionäre von SPD und DGB willkommen geheißen. Die Reden gingen in Zwischenrufen unter. Nach wenigen Minuten flüchtete der Bundesminister in seine gepanzerte Edelkarosse und brauste davon.

Frau Dr. Merkel fürchtet schlechte Bilder wie der Teufel das Weihwasser. Himmel und Hölle, ja sogar den Türkenpräsidenten setzt sie in Marsch, um kompromittierende Fotos oder Videos zu vermeiden. Und nun diese Katastrophe: Ein Vertreter der Bundesregierung räumt das Feld unter Pfiffen und Buh-Rufen.

Die Videos sind mit dem vom paneuropäischen Picknick 1989 vergleichbar, welches zum Zusammenbruch der DDR maßgeblich beigetragen hat.

Im Umfeld der Bundesregierung herrscht blanke Agonie. Auch im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen steht die Regierung unter dem wachsenden Druck des Volkes am Abgrund und verstrickt sich immer mehr in Widersprüche.

Der Duft von 1789 und 1989 zieht zuerst wieder unterhalb des Erzgebirges entlang. Die Sachsen sind das archimedische Volk. Immer wenn die Geschichte stillzustehen scheint, beweist das kleine zämkische Bergvolk, daß sich doch alles bewegt…