Wir haben uns vor Afrikanern schon immer zum Affen gemacht

Viel Kritik wird derzeit daran geübt, daß die deutsche Regierung immer mehr auf morgenländische Befindichkeiten und Gebräuche eingeht, die mit der Verfassung und den zehn Geboten nicht vereinbar sind. Ich nenne hier nur mal exemplarisch die Vielehe, die Genitalverstümmelung, das betäubungslose Schlachten und die Familien- und Stammesstreitigkeiten.

Nun behaupten Romantiker, daß früher alles anders und besser war. Zumindest während der deutschen Kolonialepisoede 1884 bis 1914 waren die Verhältnisse auch so, daß sich die Deutschen archaischen Gebräuchen unterwarfen. In den sogenannten Schutzgebieten zogen  kaiserliche Beamte herum, um Verträge mit den einheimischen Notabeln abzuschließen. Was sich deutsche Beamte alles im Interesse ihres kaiserlichen Dienstherrn dabei antaten, beschrieb Artillerie-Hauptmann Franz Karl Hutter aus Kamerun:

„Nach einem als Selbstzweck stattgehabten Blutsbrüderschaftsabschluß schwindet auch jegliches persönliches Mißtrauen. (…) Früh bereits kamen Fonte und Tituat, die zwei Vertrauten Garegas (des Häuptlings der Bali), mit der Mitteilung, daß die Abgesandten von Bafuen und Bamunda bereit wären, Blutfreundschaft mit uns zu trinken. Um 12 Uhr Mittags kamen sie auf die Station (Baliburg): vier Männer aus jedem Stamme mit etwa 20 Gefolgsleuten. Auf dem freien Platze vor der Station kauerten sie sich im Kreise nieder um den Flaggmast, an dem die deutsche Kriegsflagge gehißt war. Wir, d.h. Dr. Zintgraf und ich, zogen unsere Haussagewänder an und ließen uns in ihrer Mitte auf dem Steinsitze nieder. Lange gingen die Palaver hin und her; jeder der beiden Sprecher jeden Stammes sprang zweimal auf, wenn er reden wollte, und abgerundet und ausdrucksvoll waren Wort und Gebärde. Vor uns stand ein Topf mit Rotholz, eine Tasche, deren Inhalt wir später kennenlernen sollten, und hinter uns ein schwarzer Schafsbock angebunden; zwei Stunden gingen die Unterredungen hin und her; endlich schritt man zum Abschluß des Blutsbündnisses. Aus der Tasche holte der Sprecher zuerst Kolanüsse und Pfeffer hervor. Die Pfefferschote wurde geöffnet und jeder bekam 10 bis 12 Pfefferkörner auf die flache Hand , dazu ein Stück Kola. Diese Sachen in der offenen Hand gehalten wurde das ganze Palaver nochmals durchgesprochen: gegenseitige Freundschaft, gegenseitige Unterstützung in allen Angelegenheiten – dann wurden Kola und Pfeffer gekaut und gegessen. Sodann machte Fonte jedem von uns vieren mit seinem Messer vier Schnitte in den rechten Unterarm nahe dem Handgelenk. Das Blut wurde in einer Kalebasse, mit Palmwein gefüllt, aufgefüllt und jeder von uns vieren trank daraus, so daß die Schale geleert ward.

Der Bafuen- sowie der Bamundavertreter brachten nunmehr je eine Flintenkugel zum Vorschein, wir gaben je eine Patrone. Unter Abmurmeln von Zaubersprüchen ( …) grub man am Fuße des Flaggenmastes eine kleine Grube, in dem jeder von uns Blutsbrüdern mit seinem Messer abwechselnd ein paar Stiche machte. Im weiteren Verlaufe mußten alle Anwesenden die Geschlechtsteile fest zwischen den Beinen halten (…) Dann wurde aus der Tasche ein Menschenknochen herausgeholt und in die Grube geschabt (…) Das Päckchen wurde langsam unter leisem Abmurmeln von Formeln und Sprüchen geöffnet und zum Vorschein kamen zwei frische noch blutende Menschenohren. Auch diese wurden in die Grube gelegt, darauf die vier Geschosse und nun wurde die Grube wieder zugeschüttet.(…) Jetzt wurden wir auch aus unserer etwas unbequemen Stellung wieder erlöst. Auf die geschlossen Grube kam ein großer flacher Stein. Sodann wurde der Schafsbock herbeigeschleppt; zwei hielten ihn an den Füßen, Dr, Zintgraf hielt ihm den Kopf hoch und ich mußte ihm mit einem Zuge die Kehle durchschneiden, so daß das strömende Blut über den Stein und die Grube floß.“

1888 störten die deutsch-afrikanische Freundschaft keine frisch geschnittenen Menschenohren, was gewisse Vergleiche zur Jetztzeit provoziert. Die westlichen Werte wurden nicht erst heute, sondern schon damals freudig auf dem Altar des Multikulturalismus geopfert. Das Abmurmeln von Formeln und Sprüchen ist heute nach Berlin verlagert, zu ARD und ZDF. Schon 1888 – in der guten alten Zeit – machten sich deutsche Beamte regelrecht zum Affen. Schon damals wurde das Zusammenleben täglich neu ausgehandelt.

Eine Anmerkung noch: Dr. Zintgraf, der den Schafsbock in seiner letzten Minute festhielt – in manchen Publikationen auch Zintgraff geschrieben, auch ob er den Doktortitel tatsächlich führen durfte ist strittig –  war wie die Episode nahelegt, ein sehr robuster Typ. Er wurde ein Jahr danach aus dem Kolonialdienst entlassen, weil er seine Träger schlecht behandelte. Hutter war zwar Artillerist, aber er schwärmte davon im Umgang mit den Afrikanern ohne verschossene Patronen auszukommen.