Die CDU als Umfallerpartei

Zahlreiche Kommentatoren terminieren des Beginn des derzeitigen Liebesspiels zwischen CDU und Linken auf den November 2019. Es sieht jedoch danach aus, als sei die Linksverschiebung der CDU vom Kanzleramt mittel- oder langfristig geplant worden.

Um mit dem Marsch nach Links zu beginnen, mußte Dr. Merkel erst einmal den liberalkonservativen Konkurrenten Friedrich Merz beseitigen, der 2000 bis 2002 die Bundestagsfraktion führte. Die Methode dafür war typisch für Merkel. Sie nahm dessen politische Positionen ein und versuchte ihn als Neoliberale und Konservative noch zu übertreffen.

Im CDU-Wahlprogramm von 2002 gab es die Abschnitte „Identität Deutschlands bewahren“ und „Zuwanderung steuern und begrenzen“. Darin wird ein „aufgeklärter Patriotismus, also ein positives Verhältnis zur Nation“ erwähnt und gefordert „Deutschland muss Zuwanderung stärker steuern und begrenzen als bisher“. Im Abschnitt „Integration fordern und fördern“ heißt es wörtlich: „Deutschland soll seine Identität bewahren. Die von Rot-Grün betriebene Umgestaltung in eine multikulturelle Einwanderergesellschaft lehnen wir ab.“ Auch heißt es: „Das starke Bildungsgefälle zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen sind nur einige erkennbare Vorboten eines bedrohlichen sozialen Sprengstoffs in Deutschland.“

Hier heutzutage unglaubliche Zitate aus dem CDU-Wahlprogramm im Wortlaut:

„Deutschland muss Zuwanderung stärker steuern und begrenzen als bisher. Zuwanderung kann kein Ausweg aus den demografischen Veränderungen in Deutschland sein. Wir erteilen einer Ausweitung der Zuwanderung aus Drittstaaten eine klare Absage, denn sie würde die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft überfordern. Verstärkte Zuwanderung würde den inneren Frieden gefährden und radikalen Kräften Vorschub leisten.“

„Rot-Grün will keine wirksame Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung. Rot-grün schafft mit der ungeregelten Aufgabe des Anwerbestopps Einfallstore für erweiterte Zuwanderung und mit der angeblichen „Härtefallregelung“ und der Ausweitung der Aufenthaltsrechte über die Genfer Flüchtlingskonvention hinaus massive Anreize für Armutsflüchtlinge aus aller Welt. Dies würde in kurzer Zeit zu einer erheblich höheren Zuwanderung nach Deutschland führen, die nicht im Interesse unseres Landes ist. Wir werden unverzüglich nach der Wahl die falschen Weichenstellungen der rot-grünen Bundesregierung korrigieren.“

„Wir wollen Zuwanderungsanreize für nicht anerkennungsfähige Asylbewerber weiter einschränken. Nur staatliche Verfolgung darf einen Anspruch auf Asyl und Aufenthalt auslösen. Wir werden die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen in Asylverfahren beschleunigen und dazu die gerichtlichen Zuständigkeiten zur Überprüfung von Asylentscheidungen konzentrieren, um den Missbrauch des Asylrechts zu bekämpfen.

Wir wollen Schleuserorganisationen das Handwerk legen. Dazu setzen wir auf eine europaweite Strategie. Die Außengrenzen der Europäischen Union müssen gegen illegale Zuwanderung und organisierte Einschleusung gesichert werden. Wir werden auf eine effizientere Zusammenarbeit von Grenzschutz, Polizei und Justiz der beteiligten Länder hinwirken.

Wir werden in das Asylbewerberleistungsgesetz mit den gegenüber der Sozialhilfe niedrigeren Leistungen alle ausländischen Flüchtlinge für die Dauer ihres nur vorübergehenden Aufenthalts einbeziehen. Die Leistungen sollen so ausgestaltet werden, dass von ihnen kein Anreiz ausgeht, nach Deutschland statt in ein anderes europäisches Land zu kommen.“

„Ohne Solidarität und das Gefühl der Zusammengehörigkeit kann auch ein moderner Staat nicht bestehen. Deutschland soll seine Identität bewahren. Die von Rot-Grün betriebene Umgestaltung in eine multikulturelle Einwanderergesellschaft lehnen wir ab.“

Unter dem Motto „Drei mal 40“ wollte die Union die Staatsquote, den Höchststeuersatz und die Sozialabgaben unter 40 Prozent drücken. Für 2004 wurde eine großartige Steuerreform angekündigt. Die Gleichstellung von Lebensgemeinschaften mit der Ehe wurde abgelehnt. Zugleich wollte die Union schärfer gegen Straftäter und Extremisten vorgehen. Unter anderem plädierten CDU und CSU für eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor der Einbürgerung von Ausländern und für eine schnellere Abschiebung krimineller Ausländer.

Dr. Merkel machte sich zum engagierten Einpeitscher dieser Ziele, bekam das entsprechende Medienecho und servierte Merz ab. Nach getaner Arbeit beseitigte sie noch einige Anhänger dieses angeblich eingeschlagenen Rechtskurses und begann dann mit dem Marsch nach Links.  Nach der Wahl von Volker Kauder zum Generalsekretär 2005 ging es ganz langsam los, wurde dann immer rasanter. Auf dem Bundesparteitag 2008 wurde den Grünen beim Umwelt- und Verbraucherschutz entgegengekommen, 2011 wurde mit der Ruinierung der Bundeswehr begonnen, die Wehrpflicht ausgesetzt. Ebenfalls 2011 erfolgte die Unterstützung der CDU für flächendeckende Mindestlöhne, die Aufganbe des bewährten Schulsystems und die teure Entscheidung die Kernkraftwerke abzuschalten. Damit Hand in Hand verschärfte sich die Planwirtschaft im Energiebereich. Was dort so „gut“ geklappt hatte, wurde ab 2017 auf den Fahrzeugbau übertragen. Von 2017 datiert das verfassungswidrige Zensurgesetz und die Ehe für alle.

2017 erfolgte der erste Versuch auf Bundesebene mit den Grünen zu regieren, was jedoch an Merkels schlechter Behandlung der FDP scheiterte. In den Ländern koaliert Dr. Merkel in Schleswig-Holstein, Hessen, Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit der Steinzeitsekte. In Thüringen haben beide Parteien – CDU und Grüne – nur 21,7 + 5,2 = 26,9 % der Stimmen. Da geht es nicht ohne die Linke. Das deutete sich schon während des ganzen Jahres 2019 in den Umfragen an, wenn auch nicht in dem bei der Wahl eingetretenen Maße. Merkel ließ verschiedene Versuchsballons hochgehen, um zu testen, wie ihre Parteibasis auf die Linken reagiert.

Ende März 2019 verkündete der CDU-Fraktionsvorsitzende Ingo Senftleben aus Brandenburg, daß er sich eine Koalition mit den Linken vorstellen könnte. Bei der Landtagswahl schmierte die dortige CDU allerdings von 23 auf 15,6 % ab und Senftleben war seinen Job los. Auch den Linken bekam diese Propaganda gar nicht, sie erhielten nur noch 10,7 %.

Im August 2018 holte der schlewig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther das Thema schon wieder hervor und empfahl eine Zusammenarbeit von CDU und Linken in Thüringen. In Schleswig-Holstein sanken die CDU-Umfragewerte danach nur mäßig auf 30 % gegenüber 32 % bei der letzten Landtagswahl. Die Wähler im Norden waren immer schon anfälliger für politischen Extremismus. Man sehe sich die Wahlergebisse der 30er Jahre an, als Schleswig-Holstein eine Hochburg der Nationalsozialisten war. In Thüringen war das Ergebnis des propagierten Linkskurses für die Union allerdings verheerend, die ehemalige „Thüringenpartei“ verlor deutlich über 10 % und wurde von Platz 1 auf 3 durchgereicht. Und das bei stark gestiegender Wahlbeteiligung.

Die strategische Überlegung im Kanzleramt ist vermutlich, daß eine Mehrheit von Grünen und CDU im Bund zu wacklig und zu ungewiß ist, und daß die Linke bei der bei der Transmission der Wirtschaft zu einer geplanten Befehlsökonomie ein passender Partner wäre. Die Linke hat jahrzehntelange Erfahrung bei der Führung einer zentralen Plankommission, bei Überwachung und Zensur, bei der Ausschaltung der Opposition  und bei der Unterwerfung unter ausländische Herren. Gerade wo abzusehen ist, daß die SPD zum Regieren keine richtige Lust mehr hat, wird die Linke für Merkel zur Machterhaltung unverzichtbar.

Die einseitige Festlegung der CDU auf die Elektromobilität ist so ein Exempel planwirtschaftlichen Denkens von Merkel. Ludwig Erhard hätte die Kunden entscheiden lassen, was sie kaufen wollen, und der Industrie was sie herzustellen für richtig hält. Der Verbrennungsmotor, das Wasserstoffauto und das synthetische Benzin würden am Markt ausmachen, was das Beste ist. Dasselbe trifft auf die Energiewirtschaft zu. Auch hier spielt der CDU-Staat vor zu wissen was das einzig Seeligmachende ist: Seit dem Totalscheitern der deutschen Photovoltaikindustrie sind das Windmühlen. Die derzeitige Politik erinnert an den Siebenjahrplan 1959 bis 1965, der im Kern ja auch ein Energieplan war, an den Vierjahresplan 1936 bis 1940 oder an die Energieträgerumstellung seit 1980.

Die CDU wird nun endgültig zur Umfallerpartei, denn sie hatte eine bürgerliche Regierung und soziale Marktwirtschaft versprochen, liefert aber eine Kür als Blockpartei unter der führenden Rolle der SED. In den mittleren und unteren Etagen der Thüringer CDU ist man wegen der inzwischen eingetretenen Spaltung der Landtagsfraktion in einen linken und einen rechten Flügel frustriert. Man hält sich an einem Strohhalm fest: Daß irgendwelche politischen „Projekte“ der Partei irgendwie das Leben retten könnten. Das ist in einer Situation, wo die Christdemokratie in immer mehr politische Clubs zerfällt, illusionär. Nach den Querschüssen von Merz, des Wirtschaftsrats und der Werteunion gibt es nun auch noch einen liberalkonservativen Stuhlkreis. Die Zahl der Abweichler wächst langsam. Bei der Jagd hieß es früher: Viele Hunde sind des Bären Tod. Die schwarzen Lilliputaner werden dem Merkel-Gulliver irgendwann lästig und gefährlich.  Ob Merkel – wie in der Parabel von Jonathan Swift – den Brand unterm christdemokratischen Dach einfach mit ihrem Urinstrahl löschen kann? Oder braucht es den bewährten Bannstrahl? Und wie stark ist der noch?