Die Haut retten – die Partei schrotten

Dr. Merkel und Martin Schulz kämpfen gemeinsam um ihr eigenes politisches Überleben. Ohne Rücksicht auf Verluste ihrer Mitglieder und Anhänger. Sie müssen dazu an einem Strick ziehen, und sie tun das. Bei einem Scheitern warten schon die Geier und Hyänen in den Redaktionsstuben.

Die SPD braucht nach insgesamt acht Jahren Verschleiß im System Merkel dringend eine Atempause, um eine tragfähige Zukunftsvision zu erarbeiten. Sigmar Gabriel hatte schon Ende 2016 begriffen, daß es aus der Merkel-Regierung heraus schwierig sein würde, den Wählern ein wundertätiges SPD-Projekt zu vermitteln. Kurz entschlossen spannte er den kopflosen Roboter Martin Schulz vor den SPD-Zug und sah von der Bahnsteigkante aus zu, wie dieser vor die Wand krachte.

Nun ist die SPD nicht irgendeine Partei. Es ist die Führungspartei des linken Spektrums, genauso wie die CDU die Lokomotive auf der rechten Seite ist. Diese Leitfunktion ist den beiden Parteien zugewachsen, weil sie von Zeit zu Zeit bis in die Mitte der Gesellschaft hinein neue Ideen kommunizieren konnten. „Mehr Demokratie wagen“, die „geistig-moralische Wende“, „blühende Landschaften“, „Wir sind bereit“ waren Schlagwörter dazu. Und weil ihre Botschaften die großen Interessengruppen ansprachen, und nicht nur kleine Fördermittel- und Minderheiten-Klientele.

Oft wird behauptet, daß die großen sozialen Milieus, zum Beispiel die der Industriearbeiter oder der kleinen Selbständigen und Landwirte weggebrochen sind. Und damit die Basis der beiden ehemaligen Volksparteien. Dafür sind jedoch riesige soziologische Gruppen neu entstanden: Im Umbruch von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft sind das Dienstleistungsprekariat und die Dienstleistungsaristokratie unverhältnismäßig gewachsen. Letztere wird von der Politik noch mit halbem Hintern bedient, erstere ist vielen Funktionären nicht schick genug. Das Pack. Es wird von oben herab geschulmeistert, ohne daß sich die Politiker der Altparteien in die wachsenden Milieus hereinfinden und hereindenken.

Es braucht etwas Zeit außerhalb der Regierungstretmühle, um das zu realisieren und die programmatischen und personellen Konsequenzen zu ziehen. Sowohl der SPD wie auch der CDU täte die Opposition gut. Leider können das wegen dem Wahlergebnis von 2017 nicht beide gleichzeitig. Der Wähler hat die Oppositionsrolle der kleineren SPD zugeteilt.

Die Staatsräson ist eine schlechte Ausrede am Stück weiter zu regieren. Die Republik muß nicht durch die dritte Groko seit 2005 gerettet werden. Die Dämonisierung der Linken und der AfD führt zum Zerfall der politischen Kultur, indem die Parteien der Mitte inhaltlich entkernt und verheizt werden. In Thüringen regiert seit drei Jahren ein Linker als Ministerpräsident. Na und? Der Himmel über Erfurt ist noch nicht eingestürzt. Ministerpräsident Ramelow ist so grausam in sein verschrobenes Lieblingsprojekt verbohrt, daß seine Abwahl 2019 so sicher ist, wie das Amen in der Kirche. Wenn der Wähler es so will, muß auch eine schlechte Regierung auf Zeit möglich sein.

Die SPD muß ernsthaft daran arbeiten, durch wirkliche Kommunikation auf Augenhöhe mit potentiellen Wählern wieder attraktiv zu werden und die Grünen und Linken in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Die beiden Parteien als lästige Konkurrenten letztlich zu schwächen. Wenn sie das nicht tut, gibt sie sich auf.

Bei der letzten Starkbierprobe in München im Spätwinter 2017 wurde das Zweckbündnis zwischen Dr. Merkel und Schulz bereits vorhergesehen: Erst reichte Angela Merkel ihren Joint an Martin Schulz weiter. Dann tanzen die zwei sogar: „Es waren zwei Königskinder, die hatten sich relativ lieb, sie konnten mitnander nicht streiten, das Wasser war gar nicht mal so tief, das Wasser war gar nicht mal so tief.“

Derzeit gilt ganz oben die Devise: Die Haut retten, die Partei schrotten.